Bose, Carl August Graf

Carl August Graf Bose an Ernst Haeckel, Baden-Baden, 9. September 1885

Baden d. 9 September | 1885

Hochgeehrter Herr Professor!

Für zwei liebe Briefe und die Aufnahme unter die Radiolarien habe ich Ihnen zu danken und verschob es bis heute. Vor Kurzem bin ich von meiner Reise zurück und will nun, zugleich mit meinem Dank, Ihnen über dieselbe Bericht erstatten. Am 29 Juni brach ich mit meiner Schwester (und in deren Begleitung Fräulein Emma) von hier auf und wir gingen über Constanz, wo Frau v. Schaer besucht wurde und 8 Tage geblieben, nach Luzern und von dort über den Brünig nach Interlaken. || Wir fanden da den guten Herrn Gribi und er war uns von großer Hülfe und angenehmer Gesellschaft. Außerdem machten wir Bekanntschaften, unter anderen die anregende von Geheimrath Professor Grimm und seiner Frau, Tochter von Bettina Brentano, beide sehr originelle Leute. Leider war meine Schwester recht unwohl; mir thut die Luft dort gut für mein Asthma, doch bin ich zu alt, um meine Kräfte zum Gehen wieder zu bekommen; es wird immer mühsam für mich. Gribi war so freundlich, mich am 2 September bei meiner Abreise bis hieher zu begleiten; meine Schwester || blieb zurück, um noch auf einige Tage nach Vevey zu gehen. Hier fand ich Dr Weinland vor, der die Zeit über auf seinem Gut bei Urach zugebracht hatte. Gribi, von dem ich Ihnen herzliche Grüße ausrichten solla, ist gestern nach Hause gereist. –

Auf der Reise erhielt ich von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog ein in lieber gnädiger Weise gefaßtes Handschreiben, in welchem er mir Kund thut, daß er mich zum Comthur b mit Stern des Falkenordens ernannt habe und fand ich hier das Diplom vor. Also ascendimus et impavidi progrediamur! Wir hatten in der Schweiz immer || trockenes warmes Wetter, das „Wetterglück“ Jaegers deucht ihm nicht Wahnsinn!c und des „Allerhöchsten“. Jetzt kömmt die Reaction, denn jeden Tag ist Regen und schadet den Trauben, die einen so schönen Herbst versprachen. Leben Sie wohl, hochgeehrter Herr Professor, möchten Sie Ihre Augen nicht in den Radiolarien ruiniren und es zu spät gewahr werden! –

Mir wird Lesen und Schreiben immer schwieriger, es ist die Vorbereitung zur ewigen Dunkelheit, wenn man nicht mit den Theologen einen langweiligen Himmel erwartet! Dr Weinland bittet mich Sie von ihm zu grüßen und verbleibe ich stets Ihr mit ausgezeichneter Hochachtung

herzlich ergebener

Graf Bose

a eingef.: soll; b gestr.: Ordens; c mit Einfügungszeichen eingef., Text am oberen Rand von Seite 4: deucht ihm nicht Wahnsinn

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
09.09.1885
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6478
ID
6478