Bose, Carl August Graf

Carl August Graf Bose an Ernst Haeckel, Baden-Baden, 15./16. Juni 1884

Baden d. 15 Juni | 1884

Hochgeehrter Herr Professor!

Ihren werthen Brief vom 12 dieses Monats habe erhalten und gestern sind endlich die bewussten Photographien an Sie abgegangen, die ich bis dahin verschoben hatte, Ihnen zuzusenden. – Mit Bedauern erfahre ich aus Ihren [ ],daß Sie zwei bedeutende Männer und Ihnen befreundete in Jena verloren haben. Das Schicksal, solche Verluste zu erleiden, wächst natürlich mit unserem eigenen Alter und es ist dadurch gemildert, daß wir uns selbst der Erde näher fühlen und deßhalb, ausgenommen für die uns nächststehenden, ganz unersetzlichen, für die Andern gleichgültiger werden, als sonst. –

Die Aussicht, Sie, hochgeehrter Herr Professor, im August zu begrüßen, ist mir sehr angenehm und ich hoffe, Sie geben mir im Laufe des Juli, wenn sich Ihre Reisepläne consolidirt haben, Nachricht, || wohin sich dieselben richten werden. Es wäre möglich, daß ich im August einen Aufenthalt in der Schweiz nehme und könnten sich vielleicht unsere Schritte vereinigen. Ich möchte natürlich durchaus nicht, im Geringsten beeinflussend, auf Ihre kostbare, Ihnen ohnehin sparsam zugemessene, Ferienzeit einwirken und würde, vorkommenden Falls, keinen Umweg scheuen, um Sie zu sehen. –

Nach langer kühler Witterung hatten wir ein paar sehr heiße Tage, gestern 22° Reaumur im Schatten und Nachmittags ein Gewitter von hier seltener Heftigkeit; es schlug an drei Orten ein tödtete auf der Yburg ein junges Mädchen und der Blitz verletzte und betäubtea an zwei Orten auf dem Schloßberg mehrere Personen. Nach der alten Bauernregel wiederholte sich in der Nacht das Gewitter, aber in schwächerem Grade; heute ist es kühl 12° u trüb. –

Die Forschungen und Entdeckungen von Pasteur, denen ich im Temps begegne, interessiren mich in Bezug auf die Menschheit, doch scheint das Impfen der Wuthkrankheit als Heil- und Schutz-||mittel noch lange nicht bestätigt zu sein. Neulich stand in demselben Blatte über ein [!] in Algerien vorkommende Krankheit „le bouton de Biskra“ angeblich auch durch reine Mikroben, der bei einem geimpften Kaninchen gleich angeschlagen hätte. Ein Gegner des Experimentators in der Academie de Midecine [!] brachte dagegen vor, daß das Kaninchen, als sehr zart und impresionable, kein passendes und bestätigendes Object zum Beweis sei.

Leben Sie wohl für heute, hochgeehrter Herr Professor; mit der Hoffnung, im Juli wieder Nachricht von Ihnen über die beabsichtigte Ferienreise zu erhalten, verbleibe mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebener

Graf Bose

geschlossen d. 16 Juni

a korr. aus: bedäubte

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
16.06.1885
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6477
ID
6477