Braun, Alexander

Alexander Braun an Ernst Haeckel, Berlin, 13. Oktober 1866

Berlin den 13ten Oktober

1866

Lieber Freund und College!

Unmittelbar auf Empfang Ihres Briefes vom 11ten ging ich gestern zu Dr. Bolle, der mir auf eine Bitte gestern Abend einige Karten für Sie brachte. Übrigens reist Bolle selbst in einigen Wochen nach Teneriffa ab, besucht von dort aus vielleicht die Insel Palma und möglicher Weise treffen Sie irgend wo mit ihm zusammen. Er sagt von Madeira sei die Südseite still und vor Stürmen geschützt; über Teneriffa klagten die Zoologen, daß von Seethieren wenig zu finden sei, doch wird es wohl auch stillere Buchten geben. Die herrliche und so || vielfach merkwürdige Vegetation Madeiras und der Canaren wird Sie gewuß anziehen und erquicken, auf Madeira namentlich die Pracht der Farnkräuter. Ich habe es kürzlich auf Rügen wieder erfahren, welchen erquickenden Einfluß eine schöne Natur ausübt. Auf Madeira und den Canaren vergessen Sie mich nicht, wenn Sie eine andre Sellaginella sehen, als die kleine Selaginella denticulata; ich vermuthe nämlich, daß auf den Canaren auch die Selaginella Kraußiana s. hortensii (die falsche denticulata der Gärten) wächst, welche auf den Canaren und Madeira jetzt sicher nachgewiesen ist. Von Marsilea und Isoëtes spreche ich nicht, da Sie wohl keine treffen; von ersterer Gattung wächst eine Art auf Canaria, von letzterer in einem See der Insel Flores der Azoren, wo selten Jemand hin kommt. ||

Der Verlust, den Ihr Bruder so unerwartet, so schnell erlitten hat, hat uns Alle sehr bewegt, sehr an Sie und [die] früh geschiedene Schwester erinnert. Die armen Kinder, die eine so gute Mutter verloren haben! Unsere Cecilie hat sich recht gefaßt, aber der Schmerz wird bei ihr erst recht erwachen, wenn sie nach Leipzig zurückkehrt und in der vereinsahmten Wohnung es täglich und stündlich empfinden wird, daß sie allein und verlassen ist, daß der Tod ihres Mannes kein Traum war, sondern Wirklichkeit ist.

Mit Geduld auf bessere Zeiten hoffen! sagen Sie richtig am Schluß Ihres Briefes, dadurch werden wir auch fähig in der Gegenwart zu nutzen und zu genießen, was sie bietet || und selbst der Zukunft entgegen zu arbeiten.

Nun leben Sie wohl! Reisen Sie glücklich, erholen und erquicken Sie sich im Naturgenuß und in usu öffnenden Quellen der Forschung und gedenken Sie unser in der Ferne!

Ihr A Braun

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.10.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6302
ID
6302