Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Bielefeld, 1. Februar 1919

Bielefeld, 1.2.1919

Sehr geehrter Herr Professor!

Wie Sie aus einliegendem Brief ersehen, hat Herr Kröner es mit dürren Worten rundweg abgelehnt, eine neue Auflage Ihres ‚Protistenreiches‘ zu verlegen. Der Plan, eine solche Neuauflage in diesem Verlag erscheinen zu lassen, ist damit erledigt, nicht aber meine Absicht, das Buch auszuarbeiten. Es kann mir natürlich nicht verboten werden, eine populäre Darstellung der Naturgeschichte der Protisten in dem von uns geplanten Umfang und Inhalt auszuarbeiten und herauszugeben, nur könnte sich das Buch dann leider nicht als zweite erweiterte Auflage Ihrer Schrift dem Publikum vorstellen, sondern müsste eben als selbstständige Schrift auftreten. Was halten Sie von diesem Plane? Würden Sie ihn billigen und unterstützen? In diesem Falle würde ich bald an die Arbeit gehen, das Material durcharbeiten und sammeln u. s. w. Nötigenfalls lasse ich es dann später in meinem eigenen Verlag erscheinen. ||

Natürlich kann ich die Arbeit nur erfolgreich unternehmen, wenn ich die wichtigste Litteratur allgemeinen Charakters zur Hand habe. Speziallitteratur ist nicht notwendig, da das Buch ja eine populäre Uebersicht geben soll und für weitere Kreise bestimmt ist. Wenn es Ihnen nicht zu grosse Mühe macht, stellen Sie mir doch bitte einmal eine Liste der wichtigsten Litteratur zusammen, die Sie für unbedingt nötig halten, ich werde dann sehen, wie ich sie mir verschaffe.

Wir haben hier vor einigen Tagen einen ‚Hülfs- Schutzverband für Auswanderer‘ ins Leben gerufen. Nach Friedensschluss werden viele Leute den Wunsch haben auszuwandern, weil ihnen das Leben hier zuwider geworden ist und weil sie hier ihr Fortkommen nicht mehr finden. Um zu verhindern, dass diese Leute vielfach in ihr Unglück rennen, wenn sie ohne sorgfältige Ueberlegung auswandern, ist es nötig, eine Organisation zu schaffen, die die vorbereitenden Schritte tut und die Auswanderer gewissermassen leitet. Wir werden uns namentlich mit den Regierungen der südamerikanischen Staaten in Verbindung setzen und zu er-||fahren suchen, ob ihnen deutsche Auswanderer willkommen sind und unter welchen Bedingungen die Leute sich in jenen Ländern ansiedeln können, welche Erwerbsmöglichkeiten dort vorhanden sind u. dgl. Unser Verband wird versuchen sich über ganz Deutschland zu verbreiten und will das auswanderungslustige Publikum durch geeignete Vorträge über die in Betracht kommenden Länder aufklären. Einen ersten Vortrag hier werde ich in einer der nächsten Wochen über die deutschen Ansiedlungen in Süd-Brasilien halten. Ich habe ein sehr reiches Anschauungsmaterial an Karten, Bildern, Diapositiven und Litteratur, so dass ich auf vollen Erfolg unseres ersten Auftretens hoffe. Ein solcher Verband erscheint mir nicht nur zeitgemäss, sondern dringend erforderlich und deshalb habe ich mich ihm gern zur Verfügung gestellt.

Mit herzlichen Grüssen in alter Treue

Ihr dankbarer Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
01.02.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6198
ID
6198