Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Bielefeld, 7. Januar 1919

Bielefeld 7.1.1919

Sehr geehrter Herr Professor!

Der Vorschlag, den Sie mir in Ihrem Briefe vom 1. d. M. machen, Ihr ‚Protistenreich‘ gewissermassen neu zu bearbeiten, gefällt mir ausnehmend gut und ich habe grosse Lust, die Arbeit zu übernehmen. Zuvor müssten aber einige Fragen erledigt werden. Soviel ich weiss, ist der ursprüngliche Verlag (Günther) eingegangen. Ist nun die Schrift ganz aus dem Buchhandel verschwunden oder hat ein anderer Verlag das Buch übernommen und welcher? Würde dieser Verlag sich auf eine neue erweiterte Auflage auch wohl einlassen? Ich würde grossen Wert auf eine reiche Illustration legen, da in den dem grossen Publikum zugänglichen Büchern die Protisten in dieser Hinsicht recht stiefmütterlich behandelt werden.

Natürlich müssten sowohl Protozoen wie Protophyten bearbeitet werden und es ist selbstverständlich, dass die Beziehungen zu den Protionten ins rechte Licht || gerückt werden müssen, zumal die Lehrbücher in dieser Hinsicht alles zu wünschen übrig lassen und die

populäre Litteratur da erst recht versagt.

Vielleicht ist es am praktischesten, Sie erteilen mir offiziell die Erlaubnis, eine neue Auflage Ihres ‚Protistenreiches’ herauszugeben, so dass Ihr Name auch in Zukunft auf dem Titelblatt steht. Zu der Arbeit brauche ich nun aber natürlich Litteratur. Ueber Protozoen habe ich allerlei selbst, Lehrbücher und Handbücher, z. B. Lang und Doflein u. a. Minder gut steht es mit den Protophyten. Hier müsste ich wohl einige grössere Werke haben. Vielleicht stellen Sie mal eine Liste derjenigen Werke zusammen, die Sie für meine Zwecke für nötig halten und möglicher Weise können Sie mir auch verschiedene Werke für die Arbeit leihen. Da ich augenblicklich nichts besonderes vorhabe, so könnte ich mit der Arbeit bald anfangen und die Wintermonate für sie verwenden.

Ihrem Brief haben Sie einen hübsche Radiolarien-Tafel beigelegt. Dürfte ich fragen, ob sie für einen bestimmten Zweck angefertigt worden ist. Wenn man die || geplante Schrift etwa in einer solchen Weise illustrieren könnte, wäre das natürlich sehr schön. Auf jeden Fall würde ich Tafeln den Textillustrationen vorziehen. Doch darüber wird später erst zu entscheiden sein, wenn wir einen Verleger für die Schrift haben.

Es würde mich aufrichtig freuen, wenn die Sache in irgend einer Form sich verwirklichen liesse. Ich würde die Arbeit mit Freude machen und halte sie auch für nützlich, denn diese niedersten Lebewesen haben in den letzten Dezennien eine ungeheure Bedeutung auch in praktischer Hinsicht gewonnen, wenn man nur an die Rolle denkt, die viele von ihnen als Erreger der gefährlichsten Krankheiten spielen. Man hat der Biologie oft vorgeworfen, sie stehe in dieser Beziehung, d. h. in ihrer Bedeutung für das Leben, anderen Disciplinen nach. Das ist jetzt nicht mehr richtig. Denn allein durch die Erforschung der Haemosporidien ist es möglich geworden, jetzt jährlich Millionen von Menschen am Leben zu erhalten, die früher an Malaria und anderen Krankheiten starben. Von diesen Dingen weiss man im grossen Publikum noch fast gar || nichts. Die naturphilosophische Bedeutung der Protisten haben Sie selbst bei jeder sich darbietenden Gelegenheit betont und das müsste auch in der neuen Auflage energisch geschehen.

Also, lieber Herr Professor, wenn Sie meinen, ich könnte die Arbeit machen, so will ich es mit dem grössten Vergnügen und mit Liebe tun und bitte Sie um Ihren Rat und Ihre Unterstützung, soweit Sie dazu in der Lage sind. Besonders also denken Sie an die erforderliche Litteratur.

Mit den besten Wünschen für Ihr Wohl und mit den herzlichen Grüssen

stets Ihr treu ergebener alter Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
07.01.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6195
ID
6195