Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 21. April 1915

DR. WILHELM BREITENBACH

BRACKWEDE, 21.4.1915

Sehr geehrter Herr Professor!

Die kleine Ausgabe der ‚Kunstformen der Natur’ habe ich erhalten und ich danke Ihnen bestens für dieselbe. Ich hoffe gern, dass das Werk in dieser Gestalt vielen Anklang finden möge.

Natürlich hat mich sehr interessiert, zu erfahren, dass nunmehr der erste Band der Schriften Fritz Müllers fertig ist. Es ist nur zu bedauern, dass wir noch lange warten müssen, bis wir ihn in die Hand nehmen können. Trotzdem ich sehr viele Arbeiten, auch von den älteren, von Fritz Müller kenne, wird der stattliche Band doch vieles enthalten, was mir bisher unbekannt geblieben war, weil es an ganz versteckten Stellen erschienen ist. Mindestens ebenso interessant wie der erste Band wird derjenige werden, der eine Auswahl aus vielen Briefen enthält, die Fritz Müller an so viele Naturforscher gerichtet hat. Eine ganz besonders wertvolle Fundgrube werden die Briefe sein, die Fritz Müller an Darwin und an seinen Bruder in Lippstadt gerichtet hat. Die Korrekturabzüge und den Brief des Herrn Prof. Alfred Möller lege ich Ihnen hier wieder bei.

Vielleicht interessiert es Sie zu hören, dass ich seit dem 16. d. M. an der Oberrealschule in Bielefeld naturwissenschaftlichen Unterricht auf sechs Klassen erteile und auf zwei Klassen auch im Englischen unterrichte. Man hatte bei mir angefragt, ob ich bereit sei, aushülfsweise während des Krieges einzuspringen und ich habe natürlich gern angenommen.

Ich habe an || jedem Vormittag 4 Stunden zu geben und hoffe, dass ich mich in den Schulbetrieb bald eingewöhnen werde, zumal ich früher ja auch schon unterrichtet habe. Es würde mich natürlich sehr freuen, wenn es mir gelänge, den etwa 200 bis 230 Knaben, die ich unterrichtet habe, etwas ordentliches beizubringen.

Mit Bedauern höre ich, dass Sie in diesem Winter mit Ihrer Gesundheit nicht zufrieden waren und dass Ihre Frau Gemahlin noch immer schwer krank ist. Gewiss macht sich das Alter mehr und mehr geltend, aber trotzdem gebe ich mich der Hoffnung hin, dass Sie zu schwarz sehen und dass es Ihnen wohl ‚trotzalledem‘ vergönnt sein möge, sich noch eine Reihe von Jahren des Lebens zu erfreuen und diejenigen Arbeiten, die Sie unter der Hand haben, noch persönlich zu fördern. Dass ich mich später, wenn es erwünscht ist, bei der Bearbeitung Ihres Nachlasses etc. dem Archiv oder Ihrem Herrn Sohn gern zur Verfügung stelle, brauche ich Ihnen nicht besonders zu versichern.

Mit den herzlichsten Grüssen bin ich

Ihr treu ergebener

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
21.04.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6164
ID
6164