Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 18. August 1912

NEUE WELTANSCHAUUNG

ORGAN DES „HUMBOLDT-BUNDES FÜR

NATURWISSENSCHAFTLICHE WELTANSCHAUUNG“.

REDAKTION: DR. W. BREITENBACH, BRACKWEDE I. W.

BRACKWEDE, 18.8.12

Sehr geehrter Herr Professor!

Aus Ihrem Briefe vom 15. d. M. habe ich zu meiner Freude ersehen, daß Sie in der Beurteilung der Ostwald’schen Energetik ganz meiner Meinung sind. Ganz besonders begrüße ich es, daß Sie auf dem Monistentag in Magdeburg Ihren Standpunkt wahren wollen. Ich werde nicht verfehlen, Ihrer Anregung Folge zu leisten und Ihre Anschauungen denen Ostwalds gegenüber stellen und auf die prinzipielle Wichtigkeit der ganzen Grundfrage des Monismus aufmerksam machen. Da Ihre Magdeburger || Erklärung am 6. Sept. verlesen wird, kann sie schon am 7. Sept. in den Zeitungen stehen. Ich würde sie in unserem Septemberheft ebenfalls bringen können, wenn Sie die Freundlichkeit haben wollten, sie mir vorher – vielleicht im Laufe dieser Woche – zukommen zu lassen. Natürlich würde ich veranlassen, daß das Heft nicht vor dem 7. oder 8. Sept. ausgegeben würde. Ich selbst habe für das Septemberheft einen kleinen Artikel: „Zur Geschichte der Energetik“ verfaßt. Unser Oktoberheft wird eine Spezialnummer gegen die Energetik werden; es bringt folgende Aufsätze: Prof. Max Kassowitz: Die psychische Energie Ostwalds. Prof. Kocks-Bonn: „Stoff, Kraft, Geist und Energie“. Dann folgt der von Ihnen || angeregte Aufsatz von mir, und schließlich wird auch noch J. G. Vogt mit einer Arbeit über die letzte Sonntagspredigt ( Nr. 61) von Ostwald vertreten sein. Es kann gar nicht schnell und energisch genug gegen die Einseitigkeiten der Energetik vorgegangen werden.

Wie ich aus einer mir heute von Dr. Brass gesandten Schrift ersehe, ist im Keplerbunde großer Streit ausgebrochen zwischen Brass einerseits und Dennert und Teudt andererseits. Man wird da noch erbauliche Dinge vernehmen.

Mit großer Freude entnahm ich Ihrem Briefe, daß Ihnen für das Archiv M. 36000 geschenkt wurden sind. Daß Sie als Archivar zunächst Dr. Schmidt bestimmt haben, ist ganz richtig.

Die Aufgabe, eine Geschichte der Entwicklungslehre || zu schreiben, ist sehr verlockend und ich würde mich ihr gern unterziehen, wenn ich dazu Gelegenheit hätte. Wenn Sie dabei u. a. auch an mich gedacht haben, so danke ich Ihnen dafür und bitte Sie mich weiter im Auge zu behalten, falls Dr. Schmidt ablehnen sollte.

Heute (Sonntag) Vormittag habe ich in einem neu gegründeten Freidenker-Verein (vor Arbeitern) in Bielefeld einen Vortrag über Abstammungslehre gehalten. Ich hörte dort zu meiner Verwunderung, daß die Führer der Sozialdemokratie fast alle gegen die Freidenker-Vereine eingenommen seien. Genau wie bei uns die Professoren, Oberlehrer und sonstige Beamte.

Mit den besten Grüßen, wie stets, in alter Treue,

Ihr ergebenster Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
18.08.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6114
ID
6114