Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 22. Januar 1911
NEUE WELTANSCHAUUNG
MONATSSCHRIFT FÜR KULTURFORTSCHRITT…
AUF NATURWISSENSCHAFTLICHER GRUNDLAGE
REDAKTION: DR. W. BREITENBACH, BRACKWEDE I. W.
BRACKWEDE, 22. 1. 11
Sehr geehrter Herr Professor!
Ihre prompte Absage setzt mich doch in Erstaunen, da ich keinen stichhaltigen Grund für sie erkenne. Wir wünschen gerade die Richtung im Monismus, die Sie vertreten, schärfer zu betonen als bisher, und da wollen Sie nicht mal als einfaches Mitglied beitreten! Daß Sie Mitglied des Monistenbundes sind, kann doch kein Hindernis sein, man wird oft im Leben mehreren Vereinen mit ähnlichen Bestrebungen angehören. Sie müßen ja am besten wissen, ob Sie Recht daran tun, sich einem Ihrer treuesten Schüler gegenüber so ablehnend zu || verhalten. Wenn Sie also in der Liste unseres Bundes nicht geführt sein wollen, kann ich das nicht hindern, so leid es mir tut. Ich hoffe, aber, Sie werden Ihren Entschluß noch einmal revidieren und Mitglied werden.
Der einliegende Artikel mit einem Briefe Vielhabers (?) resp. des Vorstandes des Monistenbundes wird Sie interessieren.
Daß Prof. Ostwald eine tüchtige Kraft ist, bezweifle ich nicht, ich habe aber Grund zu glauben, daß er nicht sehr lange an der Spitze des Monisten Bundes bleibt. Ich habe sehr merkwürdige Urteile über ihn erhalten und manche gehen dahin, daß er auf die Dauer eher eine Spaltung des Bundes als eine größere Vereinheitlichung herbeiführen wird. Man muß das abwarten. || Zu einem Zusammenarbeiten mit dem Monisten Bund bin ich jederzeit bereit; ich kann aber den Herren, die mich aus dem Bund sozusagen hinausgeworfen haben, jetzt nicht nachlaufen, mich ihnen nicht aufdrängen. Wenn dem Monisten Bund an einem Zusammenarbeiten gelegen ist, so muß die Anregung dazu von ihm ausgehen. Ich habe jetzt 3 Jahre allein gestanden und darf wohl sagen, daß meine Arbeit für unsere Sache nicht fruchtlos war. Meine Zeitschrift hat zahlreiche gute Mitarbeiter, deren Zahl sich beständig auch in akademischen Kreisen vergrößert. Im Monisten Bund würde ich das weite Arbeitsfeld nicht haben, das ich jetzt vor mir habe und wenn ich dort nicht positive Arbeit leisten könnte und eine dementsprechende || Stellung hätte, weiß ich nicht, was ich dort soll. Als einfaches Mitglied lediglich mitzulaufen, dazu halte ich mich dann doch für zu schade. Ich kann unter den jetzigen Umständen mehr für den Monismus tun und hoffe durch den neuen Bund trotz Ihrer Absage und trotz der Feindschaft des Monistenbundes auch in Zukunft nicht ganz erfolglos zu sein.
Die Satzungen des B. N. W. werden Anfang Februar erst verschickt, sie sollen stark verbreitet werden und liegen auch dem Februarheft meiner Zeitschrift bei.
Mit besten Grüßen Ihr trotz alledem
treu ergebener
Dr. W. Breitenbach