Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 21. Oktober 1910

NEUE WELTANSCHAUUNG

MONATSSCHRIFT FÜR KULTURFORTSCHRITT…

AUF NATURWISSENSCHAFTLICHER GRUNDLAGE

REDAKTION: DR. W. BREITENBACH, BRACKWEDE I. W.

BRACKWEDE, 21.10.10

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich kann es nur mit großer Freude begrüßen, daß Sie endlich dem Vorstand des Deutschen Monisten Bundes eine Art von Ultimatum gestellt haben; auf das Ergebnis bin ich sehr gespannt. Soeben erhalte ich den einliegenden Brief eines fleißigen Korrespondenten, der mich seit Jahren über die Vorgänge im Berliner Vorstand etc. sehr genau unterrichtet hat; er ist genau bekannt mit Dr. Koerber, Juliusburger und anderen dortigen Herren. Ich bitte Sie, die nicht durchstrichenen Teile des Briefes zu lesen. Sie werden dann bestätigt finden, daß meine Ansichten || über die augenblickliche Lage durchaus richtige sind und auch von anderen Leuten geteilt werden. Auch die Mitteilungen über Vielhaber sind interessant, da aus Ihnen [sic] hervorgeht, daß er auch in Versammlungen des Monistenbundes selbst gegen Sie agitiert und Dr. Schmidt und mich anschwärzt. Mit diesem Herrn Vielhaber können Sie auf keinen Fall im Bund bleiben. Die öffentliche Erklärung des Vorstandes des Monisten Bundes, soweit die Zeitungen sie bringen, ist sehr schwach und nichtssagend. Da der Vorstand in ihr jedem Mitglied des Bundes freistellt, „das über die Erfahrungen hinausgehende nach seinem religiösen und philosophischen Bedürfnis zu ergänzen“, so kann er auch Vielhaber und Horneffer (– dieser hat ja an || der Erklärung selbst mitgearbeitet –) nicht verbieten, Ansichten auszusprechen, die den Ihrigen entgegen gesetzt sind. Solche Dinge aber können Sie doch nicht noch mit Ihrem Namen decken.

Meinen Aufsatz in dem nächsten Heft der Neue Welt Anschauung habe ich dahin geschloßen, daß ich sage, angesichts der auseinander gehenden Strömungen im Monistenbund sei es vielleicht angebracht, an einen engeren Zusammenschluß der wirklichen Monisten im Haeckel’schen Sinne zu denken. Ich fordere zu Äußerungen über den Plan auf und werde dann später sehen, ob der Gedanke Anklang findet. Über den Namen der neuen Vereinigung würde noch zu sprechen sein. Aus dem einliegenden Brief ersehen Sie, daß auch von anderer Seite die Gründung eines „Vereines von Freunde der Neue Welt Anschauung“ || angeregt worden ist. Man muß die Zeichen der Zeit nur richtig deuten!

Heute Abend habe ich in dem 600 Mitglieder starken Naturwissenschaftlichen Verein in Krefeld einen Vortrag über die „Bekämpfung der Tropenkrankheiten“ zu halten.

Ich kann nicht verlangen, daß Sie mir die Reisekosten ersetzen, doch muß ich offen gestehen, daß mir der Ersatz nicht unerwünscht wäre. Mit 30 M. ist die Fahrkarte ungefähr bezahlt.

Den einliegenden Brief des Herrn Metze darf ich gelegentlich wohl zurück haben.

Mit besten Grüßen

Ihr treu ergebener

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
21.10.1910
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6088
ID
6088