Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 25. Januar 1910
DR. W. BREITENBACH
BRACKWEDE, 25.1.1910
Sehr geehrter Herr Professor,
vor einigen Monaten ist der Verlag Fritz Lehmann in Stuttgart in Zahlungsschwierigkeiten geraten und ein Konsortium von Gläubigern hat es übernommen, den Verlag weiter zu führen, dabei aber eine Anzahl von Verlagsunternehmungen abzustossen. Ich habe damals gleich die Absicht gehabt, für die Neue Weltanschauung einen anderen Verlag zu suchen und heute kann ich Ihnen mitteilen, dass es mir gelungen ist. Ich habe soeben den Verlag der Zeitschrift für die Leipziger Verlagshandlung Johann Ambrosius Barth gekauft, die ja zu den grössten naturwissenschaftlichen Verlagsanstalten gehört. Da die Firma bereits eine ganze Anzahl naturwissenschaftlich-medizinischer Zeitschriften herausgiebt, so hat sie auf dem Gebiet des Zeitschriftenverlags grosse Erfahrung und es wird ein regelmässiges und pünktliches Erscheinen der Zeitschrift für die Zukunft unbedingt verbürgt werden können.
Bei dem Zusammenbruch Lehmann’s habe ich selbst rund 1000 Mark bar eingebüsst und um die Weiterführung der Zeitschrift zu ermöglichen, habe ich mich erboten bis auf weiteres alle Redactionsarbeiten umsonst zu machen. Ich hoffe, dass es mir gelingt, auch andere Herren zu bewegen, mir wenigstens einstweilen ihre Beiträge honorarfrei zur Verfügung zu stellen, bis die Zeitschrift sich eine feste Stellung errungen hat. So viel Idealismus wird ja wohl noch vorhanden sein, dass literarische Arbeiten der guten Sache wegen zu haben sind. Eine grössere Anzahl von honorarfreien Aufsätzen habe ich bereits.
In meinem letzten Brief konnte ich Ihnen über diese Angelegenheit noch nichts näheres mitteilen, || da die Verhandlungen eben im Gange waren und ich deren Ausgang noch nicht übersehen konnte. Ich habe sehr unruhige und besorgte Wochen hinter mir, denn mir lag die Weiterführung der Zeitschrift wirklich am Herzen und ich wollte sie auch gern in einem grossen und angesehenen Verlag untergebracht wissen.
Es freut mich, dass es mir, wenn auch mit für mich beträchtlichen Opfern, gelungen ist.
Mit freundlichen Grüssen in Eile
Ihr treu ergebener
Dr. W. Breitenbach