Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 2. August 1905

Brackwede, 2. August 1905

Sehr geehrter Herr Professor!

Der Zufall setzte mich auf dem Kommers des Naturwissenschaftlichen Vereins neben den Superintendenten Braasch, von dem ich natürlich wusste, dass er verschiedentlich gegen Sie geschrieben hat. Ich unterhielt mich längere Zeit recht nett mit ihm. Da er mit mir in der Verwerfung des Ultramontanismus übereinstimmte und wir einige neuere Bücher besprachen, so freute ich mich eine so nette Gesellschaft gefunden zu haben. Nun hielt ich im Laufe des Abends eine Ansprache, die mit einem von der Korona jubelnd aufgenommenen Hoch auf Sie endete. Bei diesem Hoch blieb der Vertreter der sogenannten christlichen Liebe allein im ganzen Saale sitzen. Sie können sich denken, wie es mich und die anderen Herren, die das sahen, empörte. Herr Kunze, der Sie gestern besuchen wollte, wird Ihnen vielleicht schon von der Sache erzählt haben. Ich habe || den Herrn Braasch natürlich keines Blickes mehr gewürdigt und ihm meine Meinung über sein ungebildetes Benehmen in sehr deutlichen Worten mitgeteilt.

Die Jenenser Festtage waren für uns aus den älteren Semestern doch eine recht grosse Anstrengung und ich bin froh, wieder zu Hause und bei meiner gewohnten Arbeit zu sein. Es hat uns allen sehr leid getan, dass Sie durch Ihre Krankheit verhindert waren an unserem Feste teilzunehmen. Persönlich wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen baldige gründliche Besserung, so dass Sie von Ihrer unfreiwilligen Zimmerhaft befreit werden, die ich aus eigener Erfahrung ebenfalls unter ähnlichen Umständen gründlich kenne.

Mit den herzlichsten Grüssen verbleibe ich in alter Treue

Ihr dankbarer Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
02.08.1905
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6010
ID
6010