Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Odenkirchen, 22. März 1903
DR. W. BREITENBACH
ODENKIRCHEN, 22. März 1903
Sehr geehrter Herr Professor,
in der vorigen Woche habe ich das neue Buch von Prof. Fleischmann gegen die Selectionstheorie gelesen. Es ist meiner Meinung nach das oberflächlichste und nichtssagendste Machwerk, welches ich als gegen die Selection gerichtet kenne. Ich habe eine längere Besprechung gegen das Buch verfasst und zunächst der Naturw. Wochenschrift, Prof. Potonié, angeboten. Ich bin aber nicht gewiss, ob die Zeitschrift den Aufsatz, der stellenweise etwas scharf ist, aufnehmen wird. Wenn dieses Buch das letzte und beste ist was Fleischmann zu sagen hat, dann ist er ja nicht sonderlich zu fürchten. Wissenschaftlich scheint er mir nun doch wol tot zu sein, persönlich soll er, wie ich höre, einen ziemlichen Einfluss auf seine Zuhörer ausüben und namentlich viele Mediziner zu sich herüber || ziehen.
Für meine Sammlung erhalte ich demnächst eine Abhandlung: Darwinistische Untersuchungen auf einem Atoll, vom dem Regierungsarzt Dr. Schnee der eine Reihe von Jahren auf Jaluit gelebt hat und vor etwa 4 Wochen zurückgekommen ist. Er hat, wie er mir schreibt, sehr interessante Beobachtungen gemacht.
Zu dem riesigen Erfolg der englischen Uebersetzung der Welträthsel gratuliere ich von Herzen, man sieht, dass „trotzalledem“ unsere Sache doch überall viele Freunde hat.
In der angenehmen Hoffnung, dass es Ihnen recht gut geht, verbleibe ich in alter Treue mit den besten Grüssen
Ihr dankbarer Schüler
Dr. W. Breitenbach