Friedrich Schmidt an Ernst Haeckel, St. Petersburg, 1. Januar 1897
Petersburg 20 Dec. 96/1 Jan. 97
Hochgeehrter Herr College
Heute erhielt ich Ihren eingeschriebenen Brief, der mich an meine Unterlassungssünde erinnerte. Ich habe seiner Zeit mit vielem Dank Ihr schönes Werk über die Cystideen erhalten, schob aber das Schreiben auf, bis ich es gründlich studiert hätte, wie das so oft geht. Auch hätte ich Ihnen gern noch ein Exemplar meiner kleinen Arbeit über Cyathocystis gesandt, die Ihnen nicht vorgelegen hat. Leider konnte ich keines mehr auftreiben.a Die interessantesten Stücke aller hiesigen Cystideen sind jetzt bei Prof. O. Jaeckel der sie vor zwei Jahren mitgenommen hat. In dieser Beziehung werden Sie nicht viel sehen, aber sonst doch Manches wenn Sie unseren Congress mitmachen. ||
Wenn Sie auch an der von mir geführten Excursion durch unser estländisches Silur theilnehmen wollen, dürfte es für einen so erfahrenen Reisenden wie Sie von Interesse sein Land und Leute bei uns kennen zu lernen. Ich habe auch ein kleines (silurisches) Museum in Reval eingerichtet, davon sind aber viel Stücke auswärts in Bearbeitung. Die Trilobiten deren letzte Lieferung ich jetzt bearbeite, sind alle bei mir, so dass Sie diese wohl ziemlich vollständig sehen werden, auch die Eurypteriden, deren schöne Präparate bis dahin von Dr. Holm in Stockholm wohl eingeliefert sein werden. Er hat ja bekanntlich bei Eurypterus das vorderste Scheerenglied nachgewiesen ganz wie bei Limulus, wo || ich bei einem Exemplar feine Antennen zu erkennen glaubte. Es wird mir also ein Vergnügen und eine Ehre sein Sie mit unter die Zahl meiner Excursionsglieder aufzunehmen. Die Reise wird längs der Bahn von hier nach Reval gehen, mit Seitenausflügen. Vielleicht so gethan noch nach Dago oder Oesel. Die Zahl der Theilnehmer ist schon zu gross als dass ich mit d. ganzen Gesellschaft auf d. Lande, auf d. Gütern umherfahren könnte, wie ich so oft mit einzelnen auswärtigen Collegen gethan.
Mit bestem Gruss Ihr ganz ergebener
F. Schmidt
Bitte nochmals mein langes Säumen freundlichst zu entschuldigen.
a eingef. vom Seitenrand: Leider konnte … mehr auftreiben.