Flothuis, Marius Hendrikus

Marius Hendrikus Flothuis an Ernst Haeckel, Amsterdam, 14. November 1914

Amsterdam, den 14. N

Exzellenz.

Am 30 Oktober wurden meine Frau und ich erfreut durch die Geburt unsres zweiten Kindes, anscheinend wieder ein gesunder und kräftiger Junge. Ich kann Ihnen nicht sagen, wenn ich auf meine Frau und meine zwei lieben Kinder blicke, wie dankbar ich bin daß wir bis jetzt in den schrecklichen Krieg nicht verwickelt sind. Ich hoffe daß auch Sie bis jetzt keine teuren Verwandten oder lieben Freunde verloren haben, obschon es wohl fast keine Familie in Deutschland geben mag, die nicht den Verlust von Verwandten oder Freunden zu beklagen hat. Wohl niemals hat die Geschichte der Menschheit ein blutigeres und widerlicheres Schauspiel dargeboten: eine brutale physische Übermacht von geistig niedriger a stehenden Feinden, die ein großes und edles Volk mit Untergang bedrohen. Sie werden jetzt wohl überzeugt sein, daß Sie sich früher in Ihrer günstigen Meinung über das Britenreich getäuscht haben; nicht nur die britischen Staatsmänner trifft die Blutschuld an den hunderttausenden von schuldlosen Opfern sondern das ganze englische Volk, dessen Heucheln und Niedertracht || ohne Gleichen in der Welt ist.

Ich habe die gerechte Sache Deutschlands in unseren Zeitungen verteidigt, aber was kann ich Schwacher gegen den geistigen Pöbel, der auch bei uns die edleren Triebe überwuchert.

Mit meinen innigsten Wünschen für Sie und Ihr teures bedrängtes Vaterland.

in tiefster Ehrfurcht

Eurer Excellenz ergebenster M. H. Flothuis

AFZENDER: M. H. Flothuis | Ruysdaelstraat 99I |

An Exzellenz | Ernst Haeckel | in | Jena | (Deutschland).

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
14.11.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 53629
ID
53629