Miliarakis, Spyridon

Spyridon Miliarakis an Ernst Haeckel, Athen, 19. Oktober 1914

Athen, 19 Oktober 1914.

An Seiner Exzellenz

Herrn Prof. Haeckel

In den schweren Zeiten, die gegenwärtig auf dem deutschen Volke lasten, fühle ich mit vielen Griechen, welche während ihrer Studienzeit deutsche Kultur und Sinnesart kennen und schätzen gelernt haben, in Dankbarkeit für die in Deutschland erhaltene wissenschaftliche und allgemeine Förderung, das Bedürfnis den Freunden und Lehrern meine warme Sympathie auszudrücken.

Die einmütige und opferwillige Erhebung des deutschen Volkes, das Zusammenstehen aller Parteien und Klassen ohne Unterschied von Stellung und Rang, sein heldenmütiges Verhalten, die an den Tag gelegte opferwillige Fürsorge für alle vom Kriege direkt oder indirekt Betroffenen, und nicht minder die gerade bei diesem Anlasse zutage getretene erstaunliche wirtschaftliche Stärke Deutschlands, rufen volle Bewunderung hervor.

Ich empfinde daher umsomehr das Bedürfnis, mein tiefstes Bedauern auszusprechen über Berichte von Vorkommnissen, welche mit der ganzen Art des deutschen Volkes und seinem Ehrgefühl nicht im Einklange stehen können. Wer das Glück gehabt hat, deutsches Wesen in Wahrheit kennen zu lernen, wird niemals geneigt sein, solchen Berichten Glauben zu schenken.

In der Ueberzeugung, dass Deutschland um die Erhaltung seiner hohen Kultur kämpft, hege ich die Hoffnung und spreche den Wunsch aus: das deutsche Volk und seine Kulturarbeit mögen unbeeinträchtigt aus dieser schweren und unheilvollen Krisis hervorgehen.

Dass eine grosse Anzahl Griechen aller Berufsarten mir || gleichgesinnt sind weiss ich sicher. Sie würden auch gerne an eine ähnliche Kundgebung gemeinsam herantreten, wenn sie es nicht als ein patriotische Pflicht erachteten, in keiner Weise Veranlassung zu geben, dass ein derartiges Vorgehen als eine Verletzung der von unserer Regierung offiziell erklärten Neutralität von irgend einer Seite missdeutet werden könnte.

Umsomehr fühlt sich jeder von uns veranlasst einzeln diese seine Gefühle der Bewunderung und Sympathie seinen Freunden und Lehrern zum Ausdruck zu bringen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr ergebenster

Dr. S. Miliarakis

Prof. d. Botanik

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
19.10.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 53624
ID
53624