Schumacher, Hermann Albert

Hermann Albert Schumacher an Ernst Haeckel, New York, 10. Mai 1879

KAISERLICH DEUTSCHES GENERAL-CONSULAT,

NEW YORK, den 10. Mai 1879.

In Anlaß Ihrer gefälligen Zuschrift vom 10“ Februar dieses Jahres habe ich unverzüglich Nachforschungen nach den letztwilligen Verfügungen des ehemals hier praktizierenden Arztes Dr A. Habel eingeleitet. Das einzig gültige Document dieser Art, das ich habe auffinden können, liegt in beglaubigter Abschrift bei; es widerruft alle anderen letztwilligen Verfügungen und bestimmt, daß der Testamentsvollstrecker Hugh B. Brown verschiedene Hausutensilien und Koffer vertheilen soll; darunter findet sich ein an Euer Wohlgeboren adressirtes Packet, das angeblich Manuscripte enthält.

Die in Euer Wohlgeboren gefälligen Schrei-||ben erwähnte Summe von $ 1000 ist demnach nicht als ein Legat zu betrachten. Erst nach weiteren Rücksprachen mit dem Präsidenten des hiesigen deutschen Hospitals, der beim Tode des Dr Habel zugegen gewesen ist a und Nachforschungen nach einem dieser Stiftung hinterlassenen Legate erfolglos angestellt hat, sowie nach Unterhaltungen mit Frau Oswald Rothmaler, geb. Schilling, der Schwägerin des Verstorbenen, hat es sich herausgestellt, daß die von Ihnen erwähnte Summe auf einer Schenkung unter Lebenden beruht. Der Agent des General-Konsulats berichtet: „der Verstorbene hat auf der Emigrant-Industrial Savings Bank $ 1000 – mit bezüglichen Instructionen hinterlegt und ist, eine Anweisung für diese Summe dem Herrn Professor Dr Haeckel nach Jena übermittelt. Die erwähnte Bank hat mir erklärt, daß die 1000 $ gegen eine rechtskräftige die Identität das Empfängers (Dr. Haeckel) || nachweisende und von einem United States Consul beglaubigte Anweisung an irgendeine bevollmächtigte Person prompt ausgezahlt würde oder auf Wunsch des Dr Haeckel ihm selbst in einem guten Wechsel auch direct von der Bank übermittelt werden könnte, nachdem er eine Quittung im vorerwähnten Sinne eingereicht habe.

Eventuell bin ich bereit, Ihre Einkassierungs-Vollmacht entgegen zu nehmen.

Euer Wohlgeboren ersuchen mich sodann, über den verstorbenen A. Habel Erkundigungen allgemeiner Art einzuziehen, was mir leicht geworden ist, da der Dr med. Abraham Jacobi, der Ihnen direct geschrieben hat, mir als Hausarzt befreundet ist; ich habe außer ihm, noch andere angesehene Männer über den Habel befragt und das einmüthige Urtheil, das mir zu Ohren gekommen ist, geht dahin, daß der Verstorbene sowohl seine Frau als auch || seine Söhne, Ernst in St. Louis und Louis in Heidelberg, seit langer Zeit auf unverantwortliche Weise zurückgesetzt hat.

Bei diesen Nachforschungen ist mir mehr und mehr klar geworden, daß ich vor 2 bis 3 Jahren dem Verstorbenen selber in einem geselligen Kreise begegnet bin und bald darauf über sein extravagantes Wesen sehr scharf mich ausgesprochen habe. Ich stehe nicht an, Euer Wohlgeboren als meine Ansicht zu erklären, daß der Verstorbene seit Rückkehr von seiner centralamerikanischen Reise, die ergebnißlos gewesen sein soll, an einem Größenwahnsinn wissenschaftlichen Anstriches litt, der ihn für bürgerliche Geschäfte untauglich machte.

Der Testamentsvollstrecker Brown ist der Ansicht, daß vielleicht noch kleinere Summen, welche Habel, um sie seiner Familie zu entziehen, bei dieser oder jener Bank hinterlegt haben möge, zum Vorschein kommen können: allein || darüber läßt sich zur Zeit Nichts sagen und meine Bekannten bezweifeln sehr, daß derartige Gelder irgendwo sich auffinden lassen, da sie den Verstorbenen seit Jahren nicht als wohlhabenden Mann, sondern nur als eine Person kennen, die das Vermögen der Familie entziehen wollte, weil es „höheren und besseren Aufgaben“ dienen könne.

Die hiesigen Nachforschungen haben 7 $ 90 c erfordert; diese Unkosten werden hier gedekt werden, falls Euer Wohlgeboren die 1000 $ von der Emigrant Industrial Savings Bank nicht erhebt und diesen Entschluß dem genannten Institute anzeigt, wodurch die fragliche Summe in die Erbmasse fließen würde. Im Falle, daß Sie die Schenkung acceptiren sollten, darf ich ergebenst anheimstellen, daß Sie die Unkosten direct mir erstatten möchten.

Der General-Konsul:

Schumacher

a gestr.: ,

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
10.05.1879
Entstehungsort
Entstehungsland
USA
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 53486
ID
53486