Meyer, Elisabeth

Elisabeth Meyer an Ernst Haeckel, [Leipzig], 15. April [1914]

15.4.

Liebes Ernichen!

Eben komme ich vom Condulationsbesuch bei Frau Chun; es war sehr traurig u. sie tut mir sehr sehr leid. Auf einen so frühen Tod ist sie nicht gefeit gewesen, da Chun mit seinem wundervollen Humor die ganze Familie immer in der heitersten Stimmung erhielt. Die Leichenfeier gestern ohne Pfarrer im kleinen Kreise, da fast die ganze Universität verreist ist, war trotzdem durch die Ansprachen verschiedener Freunde sehr stimmungsvoll; Hans Rede war bei weitem die || beste & gemütvollste, was sehr wohl tat bei den mancherlei nüchternen Ansprachen der verschiedenen Corporations-Vertreter. Die Einäscherung selbst wäre kurz & etwas prosaisch gewesen, meinte Hans. Unser Elsenkind hat das Ereignis tief betrübt & sie wird noch eine Zeit brauchen, bis sie darüber hinweg kommt; einstweilen ist sie noch sehr außer sich; ein Trost für sie nur der Gedanke, daß sie jetzt bald nach Jena geht. – An Frau Chun hast Du doch geschrieben, Ernichen? Thalstr. 33. Sie ist sehr dankbar für jeden Beweis der Teilnahme & bei der Verehrung Chuns für Dich wird sie besonderen Wert darauf legen. Anzeigen haben sie hier gar nicht verschickt, ob nach auswärts weiß ich nicht. – Besonders traurig wirkte der Anblick der im Fahrstuhl sitzenden gelähmten Tochter, die sehr krank & verblüht aussieht. – Noch vielen Dank für den heiteren Sonntag bei Euch.

Eure Liese

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
15.04.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 52985
ID
52985