Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an das Großherzogliche Staatsministerium zu Weimar, Jena, 25. März 1866

Jahresbericht des Directors | des Großherzoglichen zoologischen Museums | von Ostern 1865 bis Ostern 1866.

Hohes Großherzogliches Staatsministerium.

Die Erweiterungen und Umgestaltungen, welche das Großherzoglichea zoologische Museum im verflossenen Jahre erfahren hat, sind außerordentlich bedeutende gewesen, von denen ich jedoch zum großen Theile dem hohen Großherzoglichen Staatsministerium bereits in dem außerordentlichen Berichte ausführlich Mittheilung gemacht habe, welchen ich mir im August des verflossenen Jahres einzureichen erlaubte.

Zunächst muß ich hier mit besonders lebhaftem Danke der äußerst werthvollen Unterstützungen gedenken, welche das hohe Staats Ministerium b auf den gedachten Bericht hin c zu bewilligen geruhte. Durch einen außerordentlichen Zuschuß von 300 rℓ wurde es möglich, die letzten von den neuen großen Glasschränken zu bezahlen, welche durch die von meinem Vorgänger begonnene Reorganisation des zoologischen Museums erforderlich geworden waren. d Es ist nun mit deren Vollendung diese Reorganisation, welche dem ganzen Museum eine neue Gestalt gegeben hat, glücklich abgeschlossen und Raum gewonnen, um in gut schließenden und mit klaren Glasscheiben versehenen Schränken die e umfangreichen Materialien aufzustellen, welche das Museum in den f || letztverflossenen Jahren erworben hat. Da ich bereits in dem außerordentlichen Berichte vom August 1865 das Detail der neuen Einrichtung, die Aufstellung der neuen Schränke und die Vertheilung des Materials in denselben dem hohen Staats-Ministerium eingehend dargelegt habe, darf ich hier wohl auf jene Darstellung verweisen.

Was die Bereicherung des zoologischen Museums mit neuen Objecten betrifft, so war dieselbe in dem verflossenen Jahre wohl bedeutend größer, als in irgendeinem anderen Jahre, seitdem das Museum selbstständig besteht. Die größte Vermehrung erhielt dasselbe dadurch, daß ich unter der Zustimmung des hohen Staats Ministeriums meine gesammte Privatsammlung, größtentheils aus Seethieren des Mittelmeeres bestehend, dem zoologischen Museum vollständig einverleibte, nachdem ich schon vorher zahlreiche einzelne wichtigere und interessantere g von mir gesammelte Thiere demselben übergeben hatte. In mehreren Thierklassen, insbesondere den Hydromedusen, Crustaceen, Mollusken etc ist dadurch die Anzahl der vorhandenen Species um mehr als dash Doppelte, die der Exemplare um das Vielfache gewachsen. Die meisten Abtheilungen der Wirbellosen haben dadurch ein ganz verändertes Ansehen gewonnen. Das Detail darüber habe ich dem hohen Staats Ministerium in dem Special-Cataloge vorgelegt, den ich mir im vorigen August einzusenden erlaubte. ||

Weitere werthvolle Bereicherungen hat das zoologische Museum namentlich erfahren durch zwei größere Austausche, welche ich mittels einesi Theiles der zahlreichen Doubletten meiner Privat-Sammlung mit den zoologischen Museen von Cambridge und Berlin ausgeführtj habe. Das zoologische Museum von Cambridge bei Boston in Massachusetts, unter Direction des Professor L. Agassiz, stehend, sandte k gegen eine große Kiste voll Doubletten meiner Privatsammlung zwei Kisten mit sehr werthvollen, und größtentheils in l unseren Museum noch nicht vorhandenen nordamerikanischen Thierenm zurück, die eine Kiste mit zahlreichen prachtvollen Echinodermen, n die andere mit seltenen und merkwürdigen Fischen, theils o lebendig gebärenden Seefischen der californischen Küste (Embiatociden) theils p Süßwasserfischen aus verschiedenen Flüssen und Seen Nord-Americas. Das zoologische Museum von Berlin lieferte gegen eine Sendung von Doubletten aus meiner Privatsammlung eine Sammlung von schönen Echinodermen und Korallen, und später noch eine Anzahl Schlangen.

Was die neuen Ankäufe betrifft, so wurde das Museum wesentlich bereichert durch Ankaufq einer Sammlung von Seethieren aus dem rothen Meeere (von Rühl) und r einer größeren von Seethieren aus der Südsee, von Godeffroy. Die ferneren einzelnen Acquisitionen sind aus dem beifolgenden Vermehrungsbuche zu ersehen.

Ferner benutzte ich einen siebenwöchentlichen Aufenthalt auf Helgoland im Herbst des verflossenen Jahrs, um s auf dieser Insel die benachbarte reiche Nordseefauna, und ganz besonders diejenigen der || Hydromedusen, in möglichster Vollständigkeit und in zahlreichen Exemplaren zu sammeln. Auf der Rückreise in Bremen hatte ich zufällig Gelegenheit, bei einem dort wohnenden und mit Matrosen Tauschhandel treibenden Barbier (Kraus) für den äußerst niedrigen Preis vont 14 Thalern 20 Silbergroschen eine Sammlung von außerordentlich prachtvollen und großen Korallenstöcken zu kaufen, die einen u mehr als fünffach so hohen Werth repräsentiren.

Alle diese v auf meiner Reise theils von mir selbstw gesammelten, theils angekauften Seethiere sind, in fünf Kisten verpackt, im October hier wohlbehalten angekommen. Sie werden, wenn sie erst vollständig in einzelnen Gläsern vertheilt und geordnet sind, zwei von den neuen Schränken fast vollständig ausfüllen. Die baaren Auslagen für diese ganze Sammlung sind verhältnißmäßig sehr gering und betragen nur 98 rℓ 24 Sbgr. Ich hoffte diese Summe aus dem Etat des laufenden Jahres bestreiten zu können. Leider ist dieser aber bereits durch mehrere nothwendige Ausgaben (namentlich viel Porto für die eingetroffenen Sendungen und Reste der Handwerker-Arbeiten, die für die Vollendung der Reorganisation nöthig waren) so stark angegriffen, dass ich mir die ergebenstex Bitte erlauben muß, das hohe Großherzogliche Staats Ministerium möge entweder die von mir in dem beifolgenden Berichtey beantragte notwendige z Erhöhung des ordentlichen Etats des zoologischen Museums schon in diesem Jahre eintreten lassen, oder aber, falls dies nicht möglich ist, mir gütigst einen außerordentlichen Zuschuß zur Deckung dieser Ausgaben gewähren.

Schließlich darf ichaa nicht unerwähnt lassenbb, daß auch die Ordnung und die sichere Bestimmung der im Museum vorhandenen zoologischencc Schätze in diesem Jahre eine außerordentliche Verbesserung erfahren hat. In den Pfingstferien 1865 war acht Tage lang mein Freunddd, der erste Custos des Berliner zoologischen Museums, Dr. Eduard von Martens hier, welcher einen der ersten der ersten Species-Kenner und Systematiker ist. Da derselbe alle einzelnen Arten viel besser als ich kennt und ein lebendiges Namensregister für zoologische Museen ist, so war es durch seinen aufopfernden Eifer möglich, in diesen 8 Tagen die ganze Sammlung hinsichtlich ihrer Bestimmungen der Arten durchzugehen und zu rectificiren. Sehr viele noch unbestimmte Arten wurden von Herrn Dr. von Martens benannt, andere || falsch bestimmte mit dem richtigen Namen versehen. Ich muß diesen mir von meinem Freunde erwiesenen Dienst um so höher anschlagen, als es bei dem gänzlichen Mangel der großen systematischen Kupferwerke, Monographien und Reisewerke auf hiesiger Bibliothek dd in den meisten Fällen ganz unmöglich ist, den Namen seltener und ausländischer Thiere zu bestimmen.

Über die stattgefundene Verwendung der 400 Thaler, welche das hohe Staats Ministerium am 8. November zur Deckung der außerordentlichen Ausgaben zu bewilligen die Güte hatte (300 rℓ für Schränke, 100 rℓ für Gläser, Weingeist und andere Konservirungsmittel) erlaube ich mir beifolgend die Rechnungsbelege anzuschließen.

Indem ich dem hohen Großherzoglichen Staats Ministerium schließlich meinen lebhaftesten Dank für die ee gütigst bewilligten außerordentlichen Zuschüsse wiederhole und es ergebenst bitteff den materiellengg Bedürfnissen des zoologischen Museums auch ferner seine hülfreiche Theilnahme zuzuwendenhh, verbleibe ich

des hohen Großherzoglichen Staats Ministeriums

ergebenster

Professor Haeckel

a eingef.: das Großherzogliche; b gestr.: die; c gestr.: dem; d gestr.: So sind dieselben; e gestr.: zahlreichen; f gestr.: letztgenannten; g gestr.: Thiere und; h eingef.: mehr als das; i eingef.: eines; j gestr.: eingeleitet; eingef.: ausgeführt; k gestr.: mir; l gestr.: den; m korr. aus: Seethieren; n gestr.: die andere; o gestr.: den; p gestr.: Fluß; eingef.: Süßwasser; q eingef.: Ankauf; r gestr.: auch; s gestr.: die; t gestr.: für; eingef.: Preis von; u gestr.: Werth; v gestr.: Auf; w gestr.: theils von mir selbst; x eingef.: ergebenste; y eingef.: Berichte; z gestr.: Etats; aa eingef.: darf ich; bb eingef.: lassen; cc eingef.: zoologischen; dd gestr.: ganz; ee gestr.: stattgeh; ff gestr.: es ersuche; eingef.: es ergebenst bitte; gg gestr.: zool.; eingef.: materiellen; hh gestr.: in dieser Weise helfend zu befriedigen; eingef.: seine hülfreiche Theilnahme zuzuwenden,

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
25.03.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Weimar
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 52945
ID
52945