Ernst Haeckel an Adolf Winkelmann (Dekan), Jena, 25. Juli 1900
Jena 25. Juli 1900.
Hochgeehrter Herr Dekan!
Vor mehreren Monaten wurde mir aus München mitgetheilt, daß der dortige berühmte Maler, Professor Gabriel Max, am 23. August dieses Jahres seinen 60sten Geburtstag feiere; zugleich wurde mir der Wunsch nahe gelegt, unsere Facultät möge ihn bei dieser Gelegenheit zum Dr. phil. h. c. promoviren. Nach Besprechung mit mehreren Collegen unterließ ich es damals, diesen von mir getheilten Wunsch der Facultät zu unterbreiten, da wir fürchteten, dafür nicht die erforderliche Zustimmung zu finden. Heute wird mir nun von mehreren Collegen mitgetheilt, daß diese Befürchtung unbegründet sei, und daß dieselben nach Rücksprache mit einer größeren Anzahl von Facultäts-Mitgliedern die Überzeugung gewonnen hätten, ein bezüglicher Antrag von uns würde wahrscheinlich angenommen werden. || Ich erlaube mir daher, zugleich im Namen der Collegen, mit denen ich die Angelegenheit besprochen habe, an Ew. Spectabilität die Bitte zu richten, daß Sie auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung, nächsten Sonnabend, 28. dieses Monats, den Antrag stellen, die philosophische Facultät wolle den Maler Professor Gabriel Max in München zum Dr. phil. hon. causa promoviren. Einer besonderen Motivirung dieses Antrages bedarf es bei dem hohen Ruhm dieses genialen Künstlers wohl nicht; jedoch möchte ich noch besonders hervorheben, daß derselbe sich nicht nur durch dreijährige akademische Studien in Wien eine umfassende und vielseitige litterarische Bildung angeeignet, sondern auch durch Gründung eines kostbaren Museums für vergleichende Anatomie und Ethnographie sein tiefes Interesse für Zoologie und Anthropologie bekundet hat.
Hochachtungsvoll
Pr. Dr. Ernst Haeckel
d. Z. Senior.