Scheffler, Wilhelm

Wilhelm Scheffler an Ernst Haeckel, Berlin, 18. Oktober 1871

Berlin, d. 18t October 1871

Schützenstraße 11. 2 Treppe

bei Herrn Buchhalter Fuchs.

Herrn Prof. Dr. Haeckel.

Hochverehrter Herr Professor!

Hochzuverehrender Herr!

Als ich mich vor einiger Zeit – mit Abfassung einer Dissertation beschäftigt – an Herrn Prof. Dr. C. Fortlage wandte, um die an der hohen Universität zu Jena geltenden Bedingungen zur Promotion kennen zu lernen, war derselbe nicht nur so gütig, mir dieselben mitzutheilen, sondern auch Ew. Hochwohlgeboren als denjenigen Herrn zu bezeichnen, dem die Promotionsangelegenheiten bei der hochlöblichen philosophischen Facultät für das kommende Wintersemester unterstellt seien. Indem ich, mit meiner Arbeit fertig, dieselbe mit Allem, was behufs der Promotion an gedachter Universität verlangt wird, Ew. Hochwohlgeboren zu übersenden so frei bin, schulde ich Ew. Hochwohlgeboren zugleich eine || Erklärung darüber, weshalb dieses nicht von Königsberg, sondern von Berlin aus geschieht. –

Wie Ew. Hochwohlgeboren aus meinem Lebenslauf entnommen haben werden, habe ich mich neben dem Studium der neueren Sprachen der Stenographie beflissen und ihr vorzüglich die Mittel zum Studium überhaupt zu danken. Auch damals, als ich, aus dem Kriege gegen Frankreich heimgekehrt, nur mit Unruhe an meine Zukunft dachte, eröffnete sich mir, durch die sichere Hoffnung nach Erwerbung des Doctorgrades an dem Königlich stenografischen Institute zu Dresden angestellt zu werden, die Aussicht, meine eigentlichen Studien, gegen Mangel geschützt, zum Abschluß bringen zu können. Ich beabsichtigte daher, die Zeit, die zwischen meiner Rückkehr aus dem Kriege (Juli 71) und die vor einer definitiven Anstellung zu erwartende Einberufung zum sächsischen Landtage (Ende November) || lag, dazu zu benutzen, einmal eine Dissertation abzufassen, das andere Mal mich zum mündlichen Examen vorzubereiten. Kaum mit der Arbeit fertig, erhielt ich von dem Director des Königlich stenographischen Institutes Herrn Prof. Dr. Heyde, die Aufforderung, ungesäumt in das stenographische Büreau des am 16t October zusammentretenden Deutschen Reichstages einzutreten. – Dieses ist der Grund, weshalb ich bereits seit dem 14 October in Berlin weile und weshalb ich die Arbeit von hier abzusenden genöthigt bin.

Ich wage noch an Ew. Hochwohlgeboren die ganz ergebene Bitte, mir gütigst Auskunft darüber ertheilen zu wollen, ob es nicht, unter den gegebenen Verhältnissen, wo ich durch eine anstrengende Thätigkeit beim Reichstage gefesselt nun sofort nach dem Reichstage nach Dresden zum sächsischen Landtage gehe, um eine min-||destens ebenso schwierige Arbeit zu beginnen, angänglich wäre, von der mündlichen Prüfung (da es mein fester Vorsatz ist, in nicht zu ferner Zeit mein Oberlehrerexamen zu bestehen) dispensirt zu werden. Sollte dieses indeß nicht angänglich sein, so würde ich eine hochlöbliche philosophische Facultät wenigstens darum ersuchen, falls die Arbeit angenommen würde, mir einen etwas späteren Termin zur mündlichen Prüfung anzusetzen.

Indem ich Ew. Hochwohlgeboren Antwort vertrauensvoll entgegenharre und mich vielleicht der Hoffnung hingeben darf, daß Ew. Hochwohlgeboren Zeit an keinen ganz Unwürdigen verschwendet werde

habe ich die Ehre zu sein

mit vorzüglicher Hochachtung

Ew. Hochwohlgeboren

ganz gehorsamer

Wilhelm Scheffler

cand. phil.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.10.1871
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
UAJ
Signatur
M 420, Bl. 33r-34v
ID
50128