Hermann Bahr („Die Zeit” Wiener Wochenschrift) an Ernst Haeckel, Wien, 8. April 1895
„Die Zeit”
Wiener Wochenschrift
Herausgeber: Professor Dr. J. Singer,
Hermann Bahr, Dr. Heinrich Kanner
WIEN, DEN 8. April 1895
IX/3, GÜNTHERGASSE 1.
Sehr verehrter Herr Professor!
Ich weiß nicht, ob Sie sich meiner noch von dem Besuche her erinnern, den ich Ihnen vor zwei Jahren in Jena zu machen die Freude hatte. Die ungemeine Liebenswürdigkeit, mit der Sie mich damals empfingen, gibt mir den Mut, heute eine Bitte an Sie zu richten. Sie kennen wahrscheinlich die Angriffe, die Ferdinand || Brunetière in der Revue des deux mondes gegen die moderne Wissenschaft gerichtet hat, und gewiss ist Ihnen Balfours „Foundation of believe” bekannt, die Huxley eben jetzt so glänzend kritisiert hat. Es scheint mir nun unbedingt die Pflicht der deutschen Presse, zu diesen beiden Angriffen auf die moderne Wissenschaft Stellung zu nehmen, und ich weiß keinen Deutschen, der das mit solcher Autorität, mit solchem Nach-||drucke könnte als gerade Sie. Die von mir herausgegebene Wochenschrift „Die Zeit” ist sehr verbreitet und wäre eine Kanzel, von der aus Ihr Wort weithin vernommen würde. Nur müßten Sie sich entschließen, Ihren Artikel mir möglichst bald zu senden, da das Thema keinen Aufschub duldet.
Indem ich Ihnen im Voraus bestens || danke und Sie in treuer Verehrung grüße, bin ich, einer gefälligen baldigen Antwort gewärtig,
Ihr
hochachtungsvollst ergebener
Hermann Bahr
Herrn Prof. Ernst Haeckel
Jena.