Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Agnes Haeckel, Berlin, 26. – 28. Mai 1869

Berlin d. 26sten

Mai 1869

Liebe Agnes!

Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, durch den Du mich sehr erfreut hast. Beim Empfang erhielt ich erst ein Schreck, ich fürchtete Ernst sei krank geworden; nun Gott sei Dank, war die Sorge unnöthig, und es geht ja meinen lieben Kindern in Jena gut. Besonders erfreut hast Du mich durch die Mittheilung über den lieben Walter. Zum ersten Zähnchen wünsche ich Glück. ||

Da er den ersten Zahn so leicht und gut bekommen hat, können wir hoffen, daß er alle gut bekommt. Recht oft denke ich daran wie glücklich Dich der Besitz des lieben Kindes machen muß, Dir ist dadurch ein neues Leben aufgegangen. Gott erhalte Euch das liebe Kind und lasse es ferner gedeihen. Du kannst denken, welch Verlangen ich habe, Dich mit dem Kindchen zu sehn; dann müßt Ihr auch ja so lang als möglich hier blei-||ben, damit wir entschädigt werden für das lange Entbehren und wartten. –

Wie sehr leid ist es mir daß Gegenbauers Frau so krank ist, der arme, arme Mann, hoffentlich wendet es sich bald zur Besserung.

Ich habe mich recht mit Dir gefreut, daß es Deiner lieben Mutter besser geht; hoffentlich erholt sie sich nun bald ganz, daß siea sich ungetrübt des Besuchs von Marie und den Kindern freuen kann. – ||

28 So oft ich mich auch in diesen Tagen hinsetzte um etwas mit Dir zu plaudern, so wurde ich immer dabei gehindert, entweder durch Besuch oder manche häusliche Geschäfte. Heute waren zu Mittag mein Bruder Julius mit seinen Kindern und Enkeln hier, auch Ernst Reimer mit seiner Frau, die Dich grüssen läßt. Bleeks werden Sonntag oder Montag abreisen. Meine Schwester Bertha war auch hier, und Karl kam auch; Gertrude || durfte aber nicht, sie ist schon länger nicht recht, und Quincke hat ihr das Ausgehn verboten. Bleeks sind vorigen Dinstag in Cüstrin gewesen; sie sagen: das Kindchen sei jämmerlich. Da habe ich mich wieder doppelt gefreut, daß unser lieber Walter so gut gedeiht. In Bonn hatten sie schon Nachricht, daß die Reisenden aus Amerika und Afrika in England glücklich angekommen sind, also die Hauptreise ist glücklich zurück gelegt. In den nächsten Tagen werden sie nun nach Bonn kommen. Für meine Schwester Auguste eine große Freude aber auch viel aufregendes, wie viel verschiedene Empfindungen. Leider ist es wieder mit Johannes gar nicht gut. –

Gustchen war vor 6 Jahren mit ihrem sehr liebenswürdigen Mann in Bonn, wo sie ihr erstes Kindchen bekam, und kommt sie als Witwe zum || erstenmal zur Mutter, auch ihre beiden Kinder sind noch vor dem Mann gestorben. Wilhelm hat geschrieben auf der Reise nach Europa habe er mit großem Intresse die Schöpfungsgeschichte von Ernst gelesen. Das muß ich ja Dir wohl schreiben; kannst Du Dich denn nun auch schon etwas in diesem neuen Verwandtenkreis zurecht finden, Du mußt nur von || Ernst Dir es immer aus einander setzen lassen. – Die Frau von Max Schulz, die Dir so gut gefällt, ist eine Freundin von Hedwig Bleek. – –

Deine liebe Mutter grüsse herzlich von mir, hoffentlich ist sie bald wieder ganz wohl, möchte nur auch Frau Gegenbauer bald genesen. –

An Ernst denke ich selbst noch ein paar Zeilen zu schreiben, Deinem Jungen gieb einen Herzenskuß von

Deiner

Dich herzlich liebenden

Mutter Lotte.

a eingef.: sie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.05.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 49305
ID
49305