Plate, Ludwig

Ludwig Plate an Hermann Jöck, Jena, 2. Oktober 1919

Jena, Beethovenstr. 2

Jena, den 2. Oct. 1919

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt.

Ein mir persönlich unbekannter Dr. A. Heilborn hat den beiliegenden Artikel im Berl. Tagbl. erscheinen lassen, durch den ich mich in meiner Berufsehre so sehr verletzt und in der öffentlichen Meinung so herabgezogen fühle, dass ich den Dr. H. hier in Jena wegen Beleidigung verklagen möchte, falls Sie geneigt sind, als mein Rechtsanwalt die Klage zu führen. Haeckel hat zahlreiche Bücher auf Staatskosten angeschafft, sie dann aber in seine Privatbibliothek gestellt, häufig sogar mit seinem Namen „E. Haeckel“ versehen und sie der || allgemeinen Benutzung entzogen. Dagegen fühlte ich mich als Director des zoologischen Instituts verpflichtet vorzugehen und die Rücklieferung durchzusetzen, was unter Mithilfe des Universitätskurators auch zum Teil gelungen ist. Dadurch fühlte sich der alte Herr sehr beleidigt, während ich nur meiner Pflicht genügt habe. Außerdem hielt Haeckel sich nicht an die bei meiner Berufung von ihm schriftlich gegebenen Versprechungen, so dass sich auch diese erst mit Hilfe des Kurators durchsetzen musste. Das ärgerte Haeckel natürlich, und veranlasste ihn, Herrn Heilborn ein ganzes schiefes Bild zu zeichnen, dass diesen nun zu seinen Ausfällen veranlasste. ||

Ich vermute aber, dass bei H. noch andere Motive mitsprechen. Ich bin hier Vorsitzender der Alldeutschen, war früher Vorsitzender der Vaterlandspartei, bin jetzt im Vorstand der hiesigen Deutschnationalen und auch in gemässigter Form Antisemit. Heilborn ist vielleicht Jude, jedenfalls Anhänger des Berliner Tageblatts. Hinc illae lacrimae. Nähere Einzelheiten kann ich Ihnen nur mündlich geben, wenn Sie prinzipiell geneigt sind, mich zu vertreten und den Prozess, den ich selbst bedaure, weil ich dabei Haeckel leider etwas bloßstellen muss. Aber meine eigene Ehre steht mir höher als das Ansehen meines Amtsvorgängers. || Ich habe auch in diesem Sinne an Heilborn geschrieben, aber er hat zwar eine Zurücknahme seiner Anklagen verweigert und will es auf einen Prozess ankommen lassen. Wenn Sie bereit sind, könnte ich am 9. October gegen ½4 Uhr bei Ihnen vorsprechen, muss aber bitten mir ca. 1½ Stunden zu reservieren. Sollten Sie zu meinem Bedauern ablehnen, so bitte ich um Rücksendung des Zeitungsartikels.

In vorzüglicher Hochachtung

Prof. L. Plate.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.10.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Weimar
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
Handakten Jöck, Bd. 1 (unpag)
ID
48291