Thomae, Johannes

Bericht des Dekans der philosophischen Fakultät, Johannes Thomae, an Ernst Haeckel (Prorektor), Jena, 22. Januar 1885

Magnifice!

Jena, den 22ten Januar 1885.

Bericht der philosophischen Fakultät,

Wiederbesetzung des ordent-

lichen Lehrstuhls für deutsche

Philologie, resp. Beförderung

des außerordentlichen Profes-

sors Dr. Kluge zum ordentlichen

Professor der deutschen Philologie

betreffend.

Die philosophische Facultät, welche schon in dem Bericht über Dr. Litzmann sich eine besondere Aeußerung über Herrn Professor Dr. Kluge vorbehalten hatte, richtet hiermit an den Senat die Bitte, seinerseits bei den Durchlauchtigsten Erhaltern befürworten zu wollen, daß die hier bestehende ordentliche Professur für deutsche Philologie wiederum besetzt werde und || zwar durch den außerordentlichen Professor Dr. Friedrich Kluge. Sie nimmt dabei zugleich an, daß der den Professor Kluge ertheilte Lehrauftrag für Englisch aufrecht erhalten bleibe.

Zur Motivierung bemerken wir zunächst, wie es von uns auch in anderen ähnlichen Fällen geschehen ist, daß die Universität und Facultät ein selbstverständliches lebhaftes Interesse daran hat, daß die einmal an der Universität bestehenden ordentlichen Professoren auch als solche erhalten bleiben. Dieser Wunsch ist umso gerechtfertigter, da es sich ja in diesem Falle um ein Fach handelt, welches nur durch einen, nicht etwa wie die classische Philologie, durch mehrere Professoren, innerhalb der Facultät vertreten ist.

Was sodann die Persönlichkeit des Herrn Professor Kluge betrifft, so kann die Facultät sich im wesentlichen auf ihren seiner Zeit erstatteten Denominationsbericht beziehen und fügt jetzt noch hinzu, daß das Urtheil, welches wir aus dem Vortrage unseres sachverständigen Collegen, Professor Sievers, von der wissenschaftlichen Tüchtigkeit des Professor Kluge gewonnen hatten, durch den persönlichen Eindruck vollkommen bestätigt worden ist. ||

Die schriftstellerische Thätigkeit von Professor Kluge ist auch während seines hiesigen Aufenthaltes eine sehr rege gewesen. Sie hat sich in einer Reihe von Artikeln in wissenschaftlichen Journalen kund gethan und es ist zu erwarten, daß auch größere, von ihm länger vorbereitete wissenschaftliche Arbeiten in nicht ferner Zeit ans Licht treten werden.

Wenn seine Thätigkeit als Docent, was die Zahl der Zuhörer betrifft, hinter der von Professor Sievers geübten zurücktritt, so ist dabei zu bedenken, daß durch die halbjährige Lücke, welche zwischen Sievers’ Weggang und Kluge’s Berufung liegt, die Tradition unterbrochen war, und sodann, daß in der Werthschätzung der verschiedenen Zweige des deutschen Unterrichts allmählich eine Verschiebung zu Ungunsten des Altdeutschen eingetreten ist, welche ja auch in den Einrichtungen unserer Oberlehrerprüfung einen Ausdruck gefunden hat. Endlich ist aber überhaupt in fast allen Fächern, welche für das Oberlehrerexamen vorbereiten, in Folge der vorhandenen Ueberfüllung, ein Rückgang eingetreten. Die Facultät glaubt also || nicht, daß aus dieser verminderten Frequenz, irgend ein Einwand gegen die Lehrtüchtigkeit des Professor Kluge erhoben werden könne. Wir dürfen deshalb aussprechen, daß es uns in jeder Beziehung erfreulich sein würde, wenn wir in den Stand gesetzt würden, Herrn Professor Dr. Kluge als ordentliches Mitglied in die Fakultät aufzunehmen.

In vorzüglicher Hochachtung verharret

Die philosophische Fakultät

J. Thomae

d. Z. Decan.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.01.1885
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
UAJ
Signatur
UAJ, BA 440, Bl. 28r-29v
ID
47851