Julius Pierstorff (Dekan) an die philosophische Fakultät der Universität Jena, Jena, 28. November 1886
Hochwürdiger Herr Senior
Hochgeehrte Herrn Kollegen,
Herr Dr. Willy Kükenthal aus Weissenfels a/S bewirbt sich um die Habilitation im Fache der Zoologie. Die vorgelegte Abhandlung:
„Ueber das Nervensystem der Opheliaceen“
ersuche ich Herrn Kollegen Haeckel beurtheilen zu wollen. Um Uebernahme des Correferats bitte ich Herrn Kollegen Stahl.
Hochachtungsvoll
Jena, den 28. November 1886
Pierstorff
d. Z. Decan ||
Decane maxime spectabilis!
Die Abhandlung des Herrn Dr. Kükenthal „Über das Nerven-System der Opheliaceen“ giebt in ihrem ersten, analytischen Theile (p.1‒128) eine sehr sorgfältige anatomisch-histologische Analyse der Nerven-Centren von mehreren verschiedenen Gattungen dieser Anneliden; dieselbe ist mit Hülfe der hochentwickelten modernen mikroskopischen Technik durchgeführt und entspricht vollkommen den Anforderungen, welche die neueste Zeit in Bezug auf Mikrotomie und Tinctions-Methoden stellt. – Der zweite, synthetische Theil der Untersuchung enthält die morphologische Verwerthung der gewonnenen Resultate, (p. 128‒156) und die kritische Vergleichung der betreffenden Structur-Verhältnisse (im Gehirn, Schlundring und Bauchmark) mit denjenigen der übrigen Anneliden (namentlich der primitiven Archeanneliden). Der Verfasser zeigt dabei eine vollständige Orientirung in der ausgedehnten Litteratur, klare Einsicht in die phylogenetischen Beziehungen und eine gewandte Form der Darstellung. ||
Die vorgelegte Arbeit an sich genügt mithin den Anforderungen an eine gute Habilitations-Schrift. Auch schon in seiner Doktor-Dissertation über „die lymphoiden Zellen der Anneliden“ hatte der Verfasser ein erfreuliches Talent für morphologische Untersuchungen gezeigt und einige interessante neue Resultate erzielt. Durch seine wiederholten Reisen nach den Küsten von Norwegen, und namentlich durch seine (den letzten Sommer ausfüllende) Reise nach Spitzbergen, hat er auch einen frischen Unternehmungs-Geist und tüchtige Energie bewährt. Da mir außerdem Herr Dr. Kükenthal, – früher als Schüler, später als Assistent – bezüglich seines persönlichen Charakters vortheilhaft bekannt ist, und ich mir für seine academische Lehrtätigkeit größten Erfolg verspreche, kann ich der Facultät seine Zulassung zum Colloquium nur empfehlen.
Hochachtungsvoll
Haeckel
Ich schliesse mich dem Votum des Referenten an. | E. Stahl ||
Decane maxime spectabilis.
Für Zulassung zum Colloquium.
A. Schmidt
A. Geuther
Stickel
Goetz
Delbrück
v. d. Goltz
O. Lorenz
Thomae
Liebmann
Gelzer
Eucken
Zurück am 23. Dez. 86
Beschluss: Zulassung!
Pff.