Giltsch, Adolf

Adolf Giltsch an Ernst Haeckel, Jena, 16. Februar 1904

Verehrtester Herr Professor und Jubilar!

Hochgeschätzter Meister, Lehrer und Gönner!

Zu Ihrer heutigen 70jährigen Geburtstagsfeier darf auch ich mir wohl gestatten, Ihnen meine und meiner Familie herzlichste, innigste Glückwünsche darzubringen, welche darin bestehen, daß Ihnen ein noch recht langer, froher Lebensabend beschieden sein möge.

Ist es mir doch vergönnt gewesen, schier die Hälfte dieser Lebenszeit in Ihrer Nähe weilen und schaffen zu dürfen und die Wunder der Natur durch Sie aus erster Hand kennen zu lernen.

Was so manchem weniger Begünstigtem noch wunderlich und befremdend dünkt, ist mir schon längst unter Ihren steten Belehrungen zu einer neuen, schöneren Offenbarung geworden. Möchte es mir neben vielen Anderen, darum vergönnt sein, dieses wahre Himmelsglück noch recht lange weiter zu genießen und Ihnen in alter Treue, als ergebenster Gehülfe, dabei zur Hand sein zu können, wenn es gilt neue Formen zu fixiren.

Schon vor 10 Jahren gedachte ich auszuführen, was mir erst heute vergönnt ist, Ihnen vorzulegen. || Als Sie mich aber vor 2 Jahren zu meiner 50jährigen Geburtstagsfeier in so rührender, ehrender Weise durch ein selbstgefertigtes Diplom zum Ehrendoktor der Kunst beförderten, nahm die Idee besonders feste Gestalt an, Ihnen zum heutigen Tage ein Gedenkblatt zu zeichnen.

Alle die schönen Lebewesen der Natur, welche ich für Ihre Werke auf Tafeln zeichnen durfte, riefen mir zu, Ihnen ihren Dank für Ihre liebevolle Beachtung auf diesem Gedenkblatt zum Ausdruck zu bringen. Ich habe es versucht; aber Tausende von schönen Kindern der Natur stehen betrübt von ferne, weil sie nicht dankbar auf unserm Blatte zu Ihnen hinblicken können.

Möge nun dieses Blatt, welches meinen verehrten Meister in der wissenschaftlichen Zeichenkunst zeigen soll, wie anhaltend ich nach Beendigung der Kunstformen der Natur an ihn gedacht habe, am Tage der 70. Geburtstagsfeier im Arbeitszimmer desselben im zoologischen Institute, dem Schauplatz so vieler fröhlicher Arbeitsstunden, Platz nehmen und der frohen Heimkehr des verehrten Jubilar’s harren. Wenn Ihnen dann sein Anblick einige freudige Minuten bereitet, so hat es seinen Zweck erfüllt.

Herr Prof. Johannes Walther hat es gütigst übernommen, Ihnen diesen Brief nebst einer flüchtigen || Pause persönlich zu überreichen und wird gerne bereit sein, etwa nötige Erläuterungen über das Aussehen des Gedenkblatts zu geben. Leider ist das Blatt nicht zum Rollen geeignet und muß ich deshalb von einer Mitsendung, wozu sich Herrn Prof. Walther ebenfalls bereit erklärte, mit vielem Dank für seine Bereitwilligkeit, absehen.

Mögen Sie nun bald gesund und fröhlich wieder, in Begleitung der hoffendlich auch bald wieder gesundenden Frau Professor, in Jena eintreffen.

Ich hoffe, daß die vielen Beweise herzlichster Liebe und Zuneigung, welche Ihnen an diesem Fest- und Ehrentage zugehen werden, mitwirken an immer neuer Verjüngung, zur Freude Ihrer Anhänger, Freunde, Schüler und Mitmenschen.

Ihr ergebenster

Adolf Giltsch

Doctor artium honoris causa.

Jena, am 16. Februar

1904.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
16.02.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 474
ID
474