Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Marburg an der Drau, 1. Mai 1903
Marburg 1/5. 03.
Inniggeliebter hochverehrter Freund!
Herzlichsten Dank für die beiden Karten und das herrliche Buch mit der unschätzbaren Widmung die mich, obwohl ich sie nicht verdiene, ganz glücklich macht, weil aus ihr Ihre ganze Liebe spricht.
Fritzi hat mir die Schlußbetrachtung || und das Nachwort vorgelesen; ein brillanter Abschluß des Buches, das in seinem jetzigen Erscheinen einen Riesenerfolg bedeutet, zu dem a Sie niemand wärmer als ich beglückwünschen kann. Könnte ich nur ausführlicher sein! Aber das Dictiren geht nicht und beim Selbstschreiben, || von dem Sie wissen, wie ich es betreibe, muß man auf wenige Sätze sich beschränken.
Seit meinem letzten Brief bin ich wohl noch etwas elender, aber meine Kinder lassen mich nicht zum vollen Bewußtsein meines Elends kommen u. so bewahre ich mir noch immer zur Genüge || meine alte Heiterkeit. Mehr kann ich nicht wünschen in meinem hoffnungslosen Zustand.
Möchten diese Zeilen Sie und Ihre Lieben möglichst wohlauf antreffen! Mit den herzlichsten Grüßen von uns allen
Ihr
treuergebener Carneri
[Zusatz zur Transkription des Vorstehenden von Friederike Basso von Gödel-Lannoy:]
Hochverehrter, lieber Herr Professor!
Wie ich es jetzt immer thue, lege ich auch diesmal wie-||der eine Abschrift von Papas Brief bei mit der Bitte, gelegentlich einer Antwort nichts davon zu erwähnen, da Papa noch immer nicht weiß, daß ich das thue und noch in dem Glauben lebt, leserlich zu schreiben. Heute hatte Papa zwar ohnedieß einen ziemlich guten Tag und hat leichter geschrieben als sonst. Vielleicht hat das die Freude über Ihr Buch und die lieben Zeilen die Sie hineingeschrieben haben, gemacht!?
Mit vielen Empfehlungen und wärmsten Grüßen von meinem Mann und mir
Ihre Ihnen mit wahrer, dankbarer Verehrung u. Anhänglichkeit ergebene
Fritzi Basso
a gestr.: Ihnen