Haeckel, Ernst

Missiv des Prodekans der philosophischen Fakultät, Ernst Haeckel, Jena, 10. März 1874

Senior venerande!

Assessores gravissimi!

Herr stud. phil. Franz Roediger aus Dessau bewirbt sich um die Promotion in praesentia. Die vorgeschriebenen Bedingungen sind sämmtlich erfüllt. Die vorgelegte Abhandlung über die Musen ersuche ich Herrn Collegen Bursian gefälligst zu beurtheilen.

Hochachtungsvoll

Jena, den 10. März 1874

Haeckel

der Zeit Prodecan

Beschluss: Zulassung zum Examen

12/3 Hkl ||

Decane maxime spectabilis!

Herr Fr. Roediger ist insbesondere aus dem philologischen Seminar und aus meinen archäologischen Uebungen als ein sehr fleißiger, eifriger und wissenschaftlich tüchtiger junger Mann bekannt, Eigenschaften, die mich veranlassen, dass Bedenken, das man etwa gegen seine Promotion daraus herleiten könnte, dass er noch kein volles akademisches Triennium, sondern erst fünf Semester absolvirt hat, ohne Weiteres fallen zu lassen. Seine zum Zweck der Promotion verfasste Abhandlung giebt nicht nur eine sehr fleißige und reichhaltige Zusammenstellung der Notizen über die Zahl, Abstammung, Namen und den Cultus der Musen sowie das Verhältniss derselben zu anderen griechischen Gottheiten, aus den antiken Schriftstellern und Bildwerken, mit sorgfältiger Berücksichtigung der einschlagenden neueren Litteratur, sondern der Verfasser hat es auch versucht, in selbstständiger Weise die ursprüngliche Bedeutung der Musen und den Ausgangspunkt ihres Cultes sowie die allmählige Entwicklung der Auffassung derselben und die Verbreitung ihrer Verehrung durch die verschiedenen Gegenden Griechenlands zu erforschen, ein Versuch, der, wenn auch nicht durchaus gelungen, doch immerhin beachtenswerth ist. Die schwächste Seite der Abhandlung ist die formale: es ist dem Verfasser nicht gelungen, die Fülle des von ihm gesammelten Stoffes völlig zu bemeistern, und über die einzelnen Abschnitte seiner Abhandlung richtig zu vertheilen, so das sich ziemlich viele Wiederholungen darin finden. Doch ist dies ein bei einem Erstlingswerk sehr erklärlicher und leicht zu entschuldigender Mangel, und ich trage deshalb nicht das geringste Bedenken, die Zulassung des Candidaten zur mündlichen Prüfung zu empfehlen.

Jena 11 März 1874

Prof. Dr. C. Bursian

Hiernach für ZulassungSnell

EbensoStickel

- Nipperdey

- E. E. Schmid

- A. Geuther

- Hildebrand

- Delbrück

- Moriz Schmidt

- Fortlage

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
10.03.1874
Entstehungsort
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
UAJ, M 438, Bl. 15r-15v
ID
47367