Schmid, Ernst Erhard

Missiv des Dekans der philosophischen Fakultät, Ernst Erhard Schmid, Jena, 13. Januar 1873

Senior venerande!

Assessores gravissimi!

Herr Oskar Stötzer, Lehrer an der Realschule zu Bützow, der seine Studien an unserer Universität gemacht hat, bewirbt sich um die Promotion in absentia.

Seine Eingaben sind vollständig. Seine Abhandlung über Ronsard et son école wird Herrn Prof. Sievers zu gefälliger Beurtheilung zu überlassen sein. Ich ersuche Sie zunächst darüber abzustimmen.

Hochachtungsvoll

Jena, d. 13. Jan. 73

E E. Schmid d. Z. Decan

Decane maxime spectabilis

Wie vorgeschlagenSnell

EbensoStickel

- Nipperdey

- Hildebrand

Wie in früheren Fällen für sofortige Abweisung, weil der Candidat die ihm bekannten Bedingungen nicht erfüllt hat.

Haeckel

Wenngleich die Facultät schon einigemale Abhandlungen, welche in einer anderen Sprache als der lateinischen oder deutschen verfaßt waren, angenommen hat, ja selbst hat drucken lassen, so halte ich doch das doch als unseren Bedingungen zuwider und bin jetzt gegen die Annahme solcher Dissertationen.

A. Geuther ||

Ich bin für ausnahmsweise Zulassung einer fremden Sprache, eine französisch geschriebene Arbeit über Ronsard’s Schule ist namentlich schon früher einmal approbirt worden; ob auch gedruckt oder bei Anlaß einer Prüfungspromotion, weiß ich nicht. Ich empfehle eine collegialische Verständigung über diese Dinge.

A. Schmidt

Nach mehrfachen Präcedenzfällen für Annahme der Abhandlung.

C. Bursian

Wie Prof. Ad. Schmidt.

Moriz Schmidt

Zurück: 13. Jan.

Beschluß: mit 7 gegen 2 Stimmen wie vorgeschlagen.

E.S.

Da Herr Prof. Sievers sich außer Stand erklärt, einen Gegenstand der modern-französischen Literatur zu beurtheilen, so wird Herr College M. Schmidt die Güte haben, die Beurtheilung zu übernehmen.

Hochachtungsvoll

Jena, d. 21. Jan. 73

Dr. E. E. Schmid

d. Z. Decan.

Decane maxime Spectabilis!

Meines Erachtens kann es der ordo amplissimos nur verantworten, Herrn Oscar Stötzer auf Grund seiner Abhandlung über Ronsard zur mündlichen Prüfung zuzulassen. Wenn dieselbe auch mehr in einem fehlerlosen als fließenden Französisch geschrieben ist (drei Versehen scheinen Schnitzfehler), wenn sie ferner, abgerechnet eine sorgsame Untersuchung über das Geburtsjahr R’s kaum etwas bietet, und die Dürftigkeit der || Ausführung durch einen theilweis ganz überflüssigen Citatenreichthum zu verhüllen sucht, – denn nur die Sammlungen über den Wortschatz R‘s haben eigentlichen Werth – also die Arbeit für druckwürdig nicht erachtet werden kann, so beruht jedoch auf eingehenden Quellenstudien und Bekanntschaft mit dem bekannteren Werken des Dichters, und ist beflissen, was die Hauptsache ist, die Licht-und Schattenseiten der Schule mit wenigen scharfen Strichen zu veranschaulichen. Für ganz gerecht und zutreffend kann ich zwar auch sein Urtheil über R. nicht halten, um einiges hervorzuheben, so hat ja dieser selbst rechtzeitig eingesehen, dass er sich für seine Franciade im Stoffe vergriffen hatte; daß in der Elogie schlüpfrigere Stellen sind, ist nach unseren heutigen Begriffen richtig, aber daß sie remplis d’obscoenités seien (p. 21) ist zu viel behauptet; daß 3) R. die Imitation der Alten anders auffasste, als ihm Verfasser Schuld giebt, zeigen seine Chansons, und 4) für ganz verkehrt würde Horaz die gegen R’s Sprache erhobenen Vorstellungen halten. Indessen hat der Verfasser andererseits die Vorzüge und Verdienste R‘s so bereitwillig anerkannt, dass wir wegen des zu stark aufgetragenen Schattens nicht rechten wollen.

Jena 21/1 73.

Moriz Schmidt, Dr.

Ich stimme danach zwar für Abweisung, würde aber bedauern wenn Herr Stötzer sich nicht nachträglich zur Promotion in praesentia traute.

M. Sdt.

Hiernach für AbweisungSnell

EbensoStickel

- Nipperdey

- A. Schmidt

- Hildebrand

- A. Geuther

- Haeckel

- C. Bursian

Zurück 23. Jan. 73.

Beschluß: Abweisung

E.S.

 

Letter metadata

Gattung
Datierung
13.01.1872
Entstehungsort
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
UAJ, M 429, 24r-25r
ID
47322