Missiv des Dekans der philosophischen Fakultät, Ernst Haeckel, Jena, 14. März 1872
Senior venerande!
Assessores gravissimi!
Herr Carl Seeger, cand. theol. und Rector einer Privatschule in Potsdam, 35 Jahre alt, bewirbt sich um die Promotion in praesentia. (Derselbe hatte schon im Beginn des Semesters seine Bewerbung eingereicht, dann aber Familien-Verhältnissen halber zurückgezogen). Er hat 3 Jahre in Halle und Berlin Theologie studirt und später das Examen pro rectorata bestanden, darauf 3 Jahre als Rector und Erster Lehrer an der Bürgerschule zu Großen Salza fungirt. Im Falle der Zulassung wünscht er in Philosophie als Hauptfach, in semitischer und classischer Philologie als Nebenfächern geprüft zu werden. Die eingereichte Abhandlung über „Den Grundsatz der Anschaulichkeit des Unterrichts“ ersuche ich Herrn Collegen Fischer zu beurtheilen.
Hochachtungsvoll
Jena den 14. März 1872
Haeckel
d. Z. Decan ||
Decane maxime spectabilis
Die Arbeit des H. Seeger handelt (auf 16 Blättern) von der „Anschaulichkeit des Unterrichts“, deren Begriff, Berechtigung und Anwendung auf Religionsunterricht, Lesen, Sprache, Naturkunde. Eigene Gedanken oder gelehrte Kenntnisse enthält die leicht zu fertigende und leicht gefertigte Arbeit keine. Ihr Vorbild sind die Riehl’schen Regulative, die sie als epochemachend behandelt. Zu einer Promotionsschrift ist sie gar nicht geeignet, da jeder gewöhnliche Schulmeister ein solches flaches pädagogisches Räsonnement niederzuschreiben im Stande ist. Die Lehrbefähigung des Candidaten reicht nur bis zur „einer allgemeinen Realschule“. In den mündlichen Prüfungsfächern lautet das Zeugniß nirgends gut, in der Pädagogik: „eben genügend“. Er selbst drückt sich über seine Vorbereitung zur mündlichen Promotionsprüfung besorgnißerregend aus.
Aus anderen Gründen, hauptsächlich weil seine Arbeit sich zu einer Promotionsschrift nicht eignet, empfehle ich die Abweisung.
K. Fischer
Für AbweisungSnell
- Stickel
- Nipperdey
- E. E. Schmid
- A. Schmidt
- A. Geuther
- C. Bursian
- Moriz Schmidt
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Beschluß: Abweisung Hkl.