Missiv des Dekans der philosophischen Fakultät, Ernst Haeckel, Jena, 1. Februar 1872
Senior venerande!
Assessores gravissimi!
Herr Isidor Meyer, prakt. Arzt zu Schlochau, geb. 1847, bewirbt sich um die Promotion in absentia. Derselbe hat vier Jahre in Berlin Medizin studirt und darauf das medicinische Staatsexamen gut bestanden. Die eingesandte Abhandlung über „Des Aristoteles Bücher über die Seele“ ersuche ich Herrn Collegen Fischer zu beurtheilen.
Hochachtungsvoll
Jena 1. Februar 1872
Haeckel
d. Z. Decan. ||
Decane maxime spectabilis
Es ist recht glücklich, wenn sich ein praktischer Arzt mit mit der aristotelischen Seelenlehre beschäftigt, selbst wenn er sie, wie es bei unserem Candidaten der Fall ist, nur in der Übersetzung der Kirchmannschen Sammlung kennt und liest. Nur besitzt er dann nicht die Ausrüstung, um darüber eine druckreife Abhandlung zu schreiben. Von einem Verständnis der Sache ist im Uebrigen keine Rede. Den philosophischen Grundbegriff des Aristoteles, wonach die Seele = [griechischer Text] ist, erklärt der Verfasser so, daß die Seele die erste Wesenheit und als solche „die schwächste Äußerung des Seelenlebens“ ist!!
Die Arbeit hat sich (was bei einer Schrift über aristotelische Philosophie selten vorkommen wird) von jedem griechischen Worte völlig rein erhalten. Ich weiß nicht, ob ich diese Keuschheit loben darf.
Ich empfehle die Abweisung.
K. Fischer
Für AbweisungSnell
- Stickel
- Nipperdey
- E. E. Schmid
- Ad. Schmidt
- Hildebrand
- A. Geuther
- C. Bursian
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Beschluß: Abweisung
Hkl