Haeckel, Ernst

Missiv des Dekans der philosophischen Fakultät, Ernst Haeckel, Jena, 9. Oktober 1871

Senior venerande!

Assessores gravissimi!

Herr Paul Hübler aus Zwickau, geb. 1844, Oberlehrer an der Neustädter Realschule zu Dresden, bewirbt sich um die Promotion in absentia. Er hat 1866 die „Schlußprüfung für Lehrer der Mathematik und Naturwissenschaften“ am Polytechnikum zu Dresden theils „sehr gut“, theils „gut“ bestanden, darauf zwei Jahre in Leipzig studirt und endlich 1868 (von Triennium dispensirt) die Candidaten-Prüfung für Fachlehrer in den mathematischen und Naturwissenschaften am Gymnasium und höheren Volksschulen mit der Hauptcensur 3 bestanden. Die übrigen Bedingungen sind erfüllt. Die eingesandte Dissertation „Ueber die kubischen Reste“ ersuche ich Herrn Collegen Snell zu beurtheilen.

Hochachtungsvoll

Haeckel

d. Z. Decan

Jena den 9. October 1871||

Decane maxime spectabilis,

Die vorliegende Abhandlung über die kubischen Reste ist eine gelehrte Arbeit, welche das in dieser schwierigen Materie der Zahlentheorie bisher Geleistete und in vielen Abhandlungen Zerstreute mit richtigem Verständniß und übersichtlich geordnet zusammenstellt, und sie kann insofern für druckwürdig gelten. Der Verfasser hat zwei Staatsexamina bestanden; das Eine der mit dem Dresdner Polytechnicum verbundenen Fachschule für Lehrer der Mathematik und Naturwissenschaften, und das andere an der Universität Leipzig. Die Zeugnisse über diese Prüfungen widersprechen sich mehrfach direkt. Nach dem Einen ist er in der höheren Mathematik „sehr gut“, nach dem Anderen zeigt er nur geringe Kenntnisse selbst in den leichteren Theilen der analytischen Geometrie. Nach dem Einen hat er in der höheren Physik die Censur „sehr gut“, nach dem Anderen zeigt er in der Physik kaum genügende Kenntnisse. Unter der Voraussetzung, daß beide Zeugnisse mit Gewissenhaftigkeit und Gerechtigkeit ausgestellt sind, kann ich mir den auffallenden Widerspruch nur dadurch erklären, daß die große Verschiedenheit der Methoden und Ableitungen in der Mathematik es herbeiführen kann, daß der Examinand, der mit den Methoden des Examinators nicht vertraut ist, völlig verblüfft ist in dem mündlichen Examen. Ich werde || in dieser Meinung noch bestärkt durch den Umstand, daß die schriftliche Arbeit des Candidaten in dem Leipziger Zeugniß eine wohlgelungene genannt wird. Da nun die Lehrer der Dresdner Fachschule den Examinanden gewiß genauer gekannt haben als die Leipziger Examinatoren, und in dem Dresdner Prüfungszeugniß die Censur auch „sehr gut“ lautet, in den drei Fächern der höheren Mathematik, der höheren Mechanik und der höheren Physik, so kann ich nicht glauben, daß es mit den Kenntnissen des Candidaten in diesen Fächern so übel bestellt sein sollte, wie man nach dem Leipziger Zeugniß annehmen müßte. Ich möchte daher das Dresdner Zeugniß nicht gern ganz in Schatten gestellt sehen durch das Leipziger, und bin nicht abgeneigt für die Promotion zu stimmen. Sollte jedoch die Facultät über die Bedenken, welche das Leipziger Zeugniß erregt, nicht hinwegkommen können in der von mir angedeuteten Weise, so werde ich mich dem Facultätsbeschluß gern fügen.

Snell

Für uns ist meo voto das Urtheil unseres sachverständigen Mitgliedes maßgebend, und ich trage demnach kein Bedenken, für die Promotion zu stimmen.

Stickel

EbensoEbenso. Nipperdey

- E.E. Schmidt

- K. Fischer

- A. Schmidt

- Hildebrand

EbensoA. Geuther

Ich kann doch dem Zeugniss der Leipziger Prüfungscommission nicht ein so geringes Gewicht beilegen und für die Promotion in absentia stimmen.

C. Bursian

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Beschluß Promoveatur!

Hkl

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
09.10.1871
Entstehungsort
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
UAJ, M 420, 6r-7r
ID
47221