Missiv des Dekans der Philosophischen Fakultät, Karl Snell, Jena, 2. März 1869
O. Ph.
Assessores gravissimi.
Herr G. Krafft, Docent an der landwirtschaftlichen Akademie in Ungarisch-Altenburg, bewirbt sich um Promotion in absentia. Seine Studien hat er gemacht theils auf der Universität zu Wien, theils auf der Akademie in Ungarisch-Altenburg. Nach einjährigem Aufenthalt auf dieser Akademie hat er in dem abgelegten Examen für alle Fächer ohne Ausnahme die Censur: Erste Klasse mit Vorzug, erhalten. Die Dissertation behandelt die normale und anormale Metamorphose der Maispflanze. Obgleich das Objekt der Untersuchung dem Pflanzenreich entnommen ist, so scheint mir doch diese Arbeit ihrem Inhalte nach ganz dem Gebiet der organischen Morphologie anzugehören, und zu ihrer Beurtheilung nicht einen Botaniker nothwendig zu fordern. Ich richte daher an Hr: Prof. Häckel die Bitte, die Facultät durch sein Votum zu informiren, und hoffe, daß er dasselbe nicht ablehnen werde.
Snell
d. Z. Decan
den 2t. März 1869
Decane maxime spectabilis!
Die mir vorgelegte Dissertation des Herrn Krafft „über die normale und abnormale Metamorphose der Maispflanze“ behandelt allerdings einen Gegenstand der botanischen Morphologie, indessen glaube ich in diesem speciellen Falle hinlänglich durch eigene Studien befähigt zu sein, ein informatives Votum abgeben zu können. Der Verfasser erörtert in der Einleitung zunächst richtig die Bedeutung der sogenannten Pflanzen-Metamorphose überhaupt, sowie im Besonderen die morphologische Bedeutung abnormer Bildungen für die Erklärung normaler Verhältnisse. Im I. Abschnitt giebt er eine sorgfältige Darstellung von der normalen Metamorphose der Maispflanze. Im II. Abschnitt theilt er eine Reihe von selbständigen Beobachtungen über interessante Mißbildungen der Maispflanze mit, namentlich über wichtige Abnormitäten der Blüthe. Die Folgerungen, welche der Verfasser aus diesen Beobachtungen im III. Abschnitt auf den Blüthenbau der Maispflanze zieht, und welche er schließlich in dem Satze zusammenfaßt, daß die scheinbar diklinischen Blüthen ihrer ursprünglichen Anlage nach monoklinisch seien, sind jedenfalls richtig, und bezeugen, daß der Verfasser nicht nur sorgfältige Beobachtungen anzustellen, sondern dieselben auch richtig denkend zu verwerthen weiß. Ich muß daher die vorgelegte Dissertation als einen werthvollen Beitrag zu dem Verständniß der sexuellen Blüthen-Differenzierung || für vollkommen druckwürdig, und für ausreichend erachten, um die Promotion in absentia zu rechtfertigen.
Das einzige Bedenken, das ich dagegen haben könnte, wären die mancherlei stylistischen und orthographischen Mängel der Arbeit, die ich theilweise mit Rothstift angestrichen habe. Wenn man jedoch erwägt, daß der Verfasser ein Österreicher ist, und daß selbst viele Professoren an Österreichischen Universitäten dieselbe Schreibweise in ihren Druckschriften üben, so scheint mir dieser Mangel die Druckwürdigkeit der Dissertation nicht aufzuheben, vorausgesetzt, daß der Verfasser die gerügten Fehler im Druck verbessert. Ich glaube um so mehr die Promotion rechtfertigen zu können, als auch die anderen mitgesandten Schriften des Verfassers, namentlich diejenigen über die Biene und über das Hühner-Ei, einen hinlänglichen Grad von naturwissenschaftlicher Bildung bekunden, und als die zahlreichen beigelegten Zeugnisse über den Verfasser einstimmig vorzüglich lauten.
J. den 4. März
Haeckel.
Gemäß diesem Urtheil stimme ich gern für die Promotion, aber unter den von Herrn Collegen Häckel bezeichneten Bedingungen einer sorgfältigen orthographischen und stylistischen Correctur des Specimen. Es kommen, wie mir ein Einblick in die Arbeit zeigt, solche Verstöße stylistischer Art vor, die auf keinen Fall in einer unter Approbation unserer Facultät gedruckten Schrift dem Publicum präsentirt werden dürfen.
Stickel
Ebenso Nipperdey
- E.E. Schmid
- K. Fischer
- A. Schmidt
- A. Geuther