Vollert, Max

Max Vollert an Ernst Haeckel, Jena, 12. August 1915

DER KURATOR

DER GROSSH. U. HERZOGL. SÄCHS.

GESAMT-UNIVERSITÄT.

JENA, D. 12. August 1915.

Hierzu: Anlagen.

Hochverehrte Exzellenz!

Wegen meines beschädigten Knies muss ich leider noch einige Tage still liegen und bitte deshalb zu entschuldigen, dass ich Sie in der Steuerangelegenheit, die sich mündlich in kurzer Zeit erledigen würde, mit diesem weiteren Schreiben behellige.

Herr Wilhelm Knaupp in Renchen hat Ihnen zu Ihrem 80. Geburtstag 15000a M zu völlig freier Verfügung im Interesse der Entwickelungslehre überwiesen. Sie haben den Betrag der Ernst-Haeckel-Stiftung hinzugefügt, deren Rechtssubjekt die Universität Jena ist. Es fragt sich, ob und von wem die Schenkungssteuer zu entrichten ist.

Nach § 55 des Erbschaftssteuer-Gesetzes vom 3. April 1906 ist die Steuer an sich von jeder Schenkung zu zahlen, die mehr als 500 M beträgt. Auch die Schenkungen zu || wissenschaftlichen Zwecken sind steuerpflichtig; nur ist, wie ich später noch ausführen werde, unter Umständen der Steuersatz in diesem Falle ein niedrigerer.

Die Steuer ist von dem Beschenkten, d. h. von dem endgiltig Bereicherten zu tragen. Dies ist im vorliegenden Fall die Universität. Wollte ich die Verpflichtung dieser zur Zahlung der Steuer gegenüber dem Notariat II zu Achernb (welches mit den Funktionen des Erbschaftssteueramts betraut ist) bestreiten, so würde das nur zur Folge haben, dass die Steuer von der Universität oder auch von Ihnen im Wege der Zwangsvollstreckung beigezogen würde. Man könnte dann zwar Klage auf Wiederherauszahlung gegen das Reich erheben; die Klage würde aber meines Dafürhaltens keinen Erfolg versprechen.

Eine andere Frage ist, auf wie hoch die Erbschaftssteuer im vorliegenden Fall zu berechnen ist. In der Regel beträgt sie 12% der geschenkten Summe. In Baden wird sie dann noch um ¼ erhöht.

Nach § 12 Ziffer 3 des Gesetzes vermindert sie sich auf 5% für Zuwendungen, „die ausschliesslich kirchlichen, mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecken -- gewidmet sind.“ ||

Dem Weimarischen Erbschaftssteueramt gegenüber bin ich bisher mit der Ansicht durchgedrungen, dass alle Zuwendungen an die Universität Jena zu wissenschaftlichen Zwecken als gemeinnützig im Sinne des Erbschaftssteuergesetzes zu betrachten sind. Ob das Notariat in Achernc diese Auffassung teilen wird, ist mir zweifelhaft. Ich werde sie aber jedenfalls zu vertreten suchen.

Hiernach bitte ich Sie um Ihre Zustimmung dazu, dass ich dem Notariat in Achernd auf seine wieder beigefügte Anfrage erkläre, die Universität Jena erkenne ihre Pflicht zur Versteuerung der 15 000 M an. Der Steuersatz betrage aber nur5 %.

Wenn Sie wünschen, dass wir es auf die Auspfändung und alsdann Klageerhebung ankommen lassen, bin ich auch dazu bereit, könnte aber die Verantwortung für die dadurch entstehenden Kosten nicht übernehmen.

In bekannter Verehrung

Vollert

Seiner Exzellenz

Herrn Wirklichen Geheimen Rat

Professor Dr. Haeckel

hier.

a irrtüml.: 1500; b korr. aus: Archern; c korr. aus: Archern; d korr. aus: Archern

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.08.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 47141
ID
47141