Lehmann-Russbüldt, Otto

Otto Lehmann-Russbüldt an Ernst Haeckel, Schmargendorf, 8. März 1912

KOMITEE

KONFESSIONSLOS

[…]

Schmargendorf, den 8. März 1912

Seiner

Excellenz Herrn Geheimrat HAECKEL

JENA. und

Herrn Geheimrat WILHELM OSTWALD,

GROSS-BOTHEN

Hochgeehrte Herren!

Nachdem das K. K. unter der Aegide des Deutschen Monistenbundes und des Weimarer Kartells in über 50 deutschen Städten Vertrauensmänner für den organisierten Massenaustritt aus der Kirche gewonnen hat, beginnen neue Schwierigkeiten durch die Behörden. Wir sind noch in der vorbereitenden Arbeit und haben erst vor zwei Tagen nach besonderer wiederholter Anstrengung eine kurze Notiz in das einflussreiche „Berliner Tageblatt gebracht, die uns sofort neue Anmeldungen einbrachte, darunter neben einer Reihe von Ärzten etc. auch von zwei richterlichen höheren preussischen Beamten. Im gleichen Augenblick wurde aber Herr Professor Gurlitt aufgefordert, der Königlichen Regierung zu Potsdam zu erklären, ob das Gerücht auf Wahrheit beruhe, dass er für den Kirchenaustritt agitiere. Herr Professor Gurlitt hat diese Frage bejaht. Ich habe aber mit Herrn Professor Gurlitt die Sache eingehend besprochen und wir haben uns in seinem Interesse dahingehend geeinigt, dass sein Na-||me als Vorsitzender auf unseren Veröffentlichungen nicht mehr erscheint. Herr Professor Gurlitt leitet in Oranienburg bei Berlin ein Jugenderholungsheim als eine Musteranstalt seiner schulreformerischen Bestrebungen. Er bedarf dazu einer Konzession der preussischen Staatsregierung. Er hat diese Konzession auch erhalten, man muss aber leider mit der Möglichkeit rechnen, dass ihm diese Konzession entzogen wird, wenn er weiter an hervorragender und öffentlicher Stelle für eine Bewegung eintritt, die auf vollkommen gesetzlichen Boden steht.

Damit das Komite Konfessionslos in den Kreisen der freigeistigen Bewegung auch ferner einen angemessenen Resonanzboden für seine Propaganda findet, richte ich an die verehrten Senioren und Vorkämpfer des Monismus die Bitte, möglichst beide Herren als Protektoren des Komites an der Spitze unserer Drucksachen nennen zu dürfen. Die Herren tragen damit in keiner Weise eine gesetzliche Verantwortung, weder in zivil- noch in strafrechtlicher Beziehung. Auch eine Arbeit wird den Herren nicht erwachsen. Ich lege nur in grossen Abständen unsere Drucksachen vor, wie die jetzt vorbereiteten. Wir wären für etwaige Hinweise und Ratschläge sehr dankbar.

Herr Professor Gurlitt wird seine hervorragende und so äusserst fruchtbar gewesene Tätigkeit für uns im Stillen weiter wirken lassen. Ich werde mich auch ihm und Herrn Rittmeister Kurt v. Tepper – Laski gegenüber in Ausführung unserer Geschäfte verantwortlich fühlen.

Unsere Arbeit schreitet erfolgsversprechend fort. Das erkennt man vor allem an der grossen Aufgeregtheit der Gegner.

Im Interesse unserer Sache bitte ich gütigst um die Zustimmung der beiden so verehrten Herren.

Otto Lehmann-Russbüldt

 

Letter metadata

Datierung
08.03.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena und Grossbothen
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 46983
ID
46983