Carneri, Bartholomäus von

Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Krumpendorf am Wörthersee, 16. August 1895

Krumpendorf 16. VIII. 95.

Geliebter u. verehrter Freund!

Bitte nur um eine Postkarte, die mir sagt, wie es mit Ihrer Herstellung aussieht? Ich brauche nur zwei Worte.

Meinen Kindern könnt’ es nicht besser gehn u. in Folge dessen bin ich zufrieden bis zu wahrer Heiterkeit. Wie lebhaft ich hier Ihrer gedenken kann, ist großartig.

Für die Mittheilung betreffs Alexander Tille bin ich Ihnen sehr dankbar, denn es macht || mich wirklich glücklich, bei unserer, wenngleich überstürmischen Jugend so viel zu gelten – hätt es nie gedacht. Wär’s nicht aus mit dem Arbeiten, so würde ich meinem „Modernen Menschen“ ein Kapitel einfügen; denn ist’s auch Wahnsinn, den Begriff Humanität streichen zu wollen, corrigiren ließe sich schon die moderne Humanität. Bei aller Verrücktheit von Nietzsche’s Grundgedanken, ist die von ihm hervorgerufene Strömung, als Reaction gegen den drohenden Collectivismus einerseits und die || kirchliche Überhebung andererseits, sehr werthvoll.

Ich habe Tille in Verdacht, der Autor des anonym erschienenen: Volksdienst, von einem Socialaristokraten, zu sein. Seine Sympathie für mich, ein paar Wendungen am Schluß u. die Frische der Darstellung brachten mich auf den Gedanken. Sie kennen das Buch.

Doch ich muß schließen. Von uns allen alles Liebe, und im Geist, den wir haben, Sie an’s Herz drückend, in alter Treue

Ihr

Carneri

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
16.08.1895
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 4698
ID
4698