Schaxel, Julius

Julius Schaxel an Ernst Haeckel, Jena, 27. Mai 1909

Jena, den 27sten Mai 1909.

Hochverehrter Herr Geheimrat!

Ihrem Brief, für den ich Ihnen herzlichst danke, entnehme ich zu meiner größten Freude, daß sich Ihre gesundheitlichen Verhältnisse gebessert haben.

Hier sind die Verhältnisse immer noch die gleichen. Plate läßt keinen Tag vorübergehen ohne etwas von seiner eigentümlichen Natur zu offenbaren. Aus allem scheint mir hervorzugehen, daß er eine durchaus harmlose Natur ist und nicht in mindesten versteht, wie || schmerzlich Sie sein Vorgehen berühren mußte. Jede Art von Feinfühligkeit, Verständnisfähigkeit und künstlerischem Sinn fehlt ihm vollkommen. Ich komme nach wie vor gut mit ihm aus; aber ein Lehrer und Chef, wie Sie es uns waren, ist er auch nicht im allergeringsten Maße. Er fühlt sich als Vorgesetzter und Beamter, bringt sich aber doch unter einen energisch geäußerten Widerspruch.

Außer mir arbeitet jetzt (seit heute)a auch Herr Dr. Rauther im phyl. Museum. || Meine Dr-Arbeit habe ich heute ganz zu Ende gebracht. Ich bin ein wenig besorgt, wie sich Plate im mündlichen Examen verhalten wird. Mit der schriftlichen Arbeit b ist er ganz einverstanden.

Der Erfolg Reinkes war kein so bedeutender. Plate will entweder im Juni einen Gegenvortrag halten oder im nächsten Winter einen Cyclus von Vorlesungen im Rahmen des Monistensbundes veranstalten, wozu er noch andere Akademiker wie Maurer, Stahl u.s.w. zu gewinnen hofft (– was mir nicht gerade wahrscheinlich vorkommt; denn Plate erfreut sich nicht vieler Sympathien hier!). ||

Anfang Juni (erste oder zweite Woche) werde ich einige Tage in München sein, um meine zukünftige Frau zu besuchen. Sollten Sie mich dort zu sprechen wünschen, so würde ich Sie bitten mir schon hieher Nachricht davon zu geben.

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Die Broschüre von Dr. Heinrich Schmidt sende ich mit gleicher Post. Soviel ich weiß, ist Dr. Schmidt noch in Rom. Mit seiner Broschüre bin ich eigentlich wenig einverstanden und verspreche mir nicht viel Nutzen für die Sache davon; denn sie wird wohl ||

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keinen anderen c Erfolg haben als die Geschichte von neuem aufzurühren. Dr. Schmidt gilt aber nicht als unparteiischer Richter und sein Ton ist recht anmaßend. Ich bin überzeugt, daß er das Beste will, aber leider nur zu oft das Gegenteil erreicht.

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Schließlich, Herr Geheimrat, möchte ich Sie nochmals bitten die Dinge nicht so schwarz zu sehen, wie sie es jetzt tun. Sie dürfen in dem törichten Verhalten Plates, der selber gar nicht weiß, was er anrichtet d, sondern seiner groben Natur folgt, || doch keinesfalls ein allgemeines Verhalten ihrer Schüler sehen, die von den Ältesten bis zu den Jüngsten keine vornehmere Aufgabe kennen als an dem, was sie Ihnen verdanken, in Freude weiterzuarbeiten. Ein paar Unannehmlichkeiten, die gerade actuell sind, können die allgemeine Grundstimmung zwar für den Augenblick verdecken, aber doch nicht ändern. Weil man Sie jetzt schwach glaubt, wagt sich allerhand Gesindel hervor. Ich halte es für das || Beste, wenn man diese Leute (Reinke, Keplerbündler u.s.w.) sich an ihren eigenen kleinen Aufregungen erschöpfen läßt, bis die Zeit kommt, wo sie mit einem Strich ausgewischt werden. Erregen Siee sich nicht über Dinge, die kaum wertf sind von Ihnen überhaupt bemerkt zu werden.

Mit den herzlichsten Wünschen für Ihre weitere Erholung

Ihr treuer Schüler

Julius Schaxel

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P.S.

Plate wollte, daß ich auf den Zoologen-Kongreß in Frankfurt an Pfingsten über meine Arbeit vortragen sollte. || Ich habe aber abgelehnt, weil ich glaubte, daß ich mit einem öffentlichen Auftreten besser bis nach dem Examen warten werde. Ich denke, das würde auch Ihr Rat gewesen sein.

a eingef.: (seit heute); b gestr.: bin; c gestr.: Wi...S; d gestr.: oder; e korr. aus: Sich; f korr. aus: Wert

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.05.1909
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 46876
ID
46876