Rawitz, Bernhard

Bernhard Rawitz an Ernst Haeckel, Berlin, 7. Mai 1896

Berlin N. 7 Mai 1896.

Invalidenstr. 32.

Hochverehrter Herr Professor!

Verzeihen Sie, wenn ich Sie mit folgenden Zeilen belästige.

Die hiesige Akademie der Wissenschaften hat über die ihr gehörigen Gelder verfügt, die Gräfin Bosestiftung der hiesigen Universität ist anderweitig, auch von mir, in Anspruch genommena, so dass ich zur Ausführung eines Reiseplanes die nötigen Mittel hierorts nicht erlangen kann. Ich erlaube mir daher die ganz ergebene Anfrage, ob ich nicht vielleicht aus der Ritterstiftung in Jena die erforderlichen Geldmittel erhalten kann. Ich beabsichtige || nach dem Roten Meere zu gehen und zwar zunächst nach Suez und dann, wenn möglich, an die Südspitze der Sinai Halbinsel, nach Scherm. Zweck der Reise ist der folgende: Die Augen von Pteroceras sind seit mehr als 30 Jahren nicht mehr untersucht worden. Die Stellung der Augen im Typus der Mollusken ist aber, wenn die wesentlich von Hensen aufgrund der Untersuchung eines ungenügend konservierten Materials gemachten Angaben richtig sind, eine so eigentümliche, dass eine genaue Nachprüfung meines Erachtens schon längst ein Bedürfniss ist. ||

Lediglich konserviertes Material zu untersuchen, ist nicht angängig, zur vollen Erkenntniss des Augenbaus gehört die Untersuchung von mazeriertem Materiale und die Beobachtung des lebenden Tieres. Beides lässt sich aber nur an Ort und Stelle ausführen und das Rote Meer scheint mir der geeignete Ort dafür zu sein.

Ferner möchte ich gar zu gern unter den pelagischen Formen nachsehen, ob sich daselbst nicht ähnliche Organismen finden wie Ihre Magosphära. Vielleicht ist hierfür der Golf von Akaba ein geeigneter Ort, den man von Scherm oder von Akaba selbst || aus durchforschen könnte.

Die Dauer meines Aufenthaltes dürfte zwei Monate betragen und die Kosten sich folgendermaassen verteilen: 900 Mark Hin- und Rückreise, 600 Mark mindestens die Ausrüstung, 1500 Mark Lebensunterhalt und circa 1000 Mark für Böte, Fischer etc., Netze, in Summa also 4000 Mark, wozu vielleicht noch 500 Mark für unvorhergesehene Ausgaben kämen. Da ich gar keine Eigenmittel besitze, so bin ich zur Ausführung meiner Reisen auf Stipendien angewiesen. || Könnte ich durch Ihre Befürwortung von der Ritterstiftung jene Summe von 4500 Mark erhalten, so würde ich Ihnen ausserordentlich dankbar sein.

Ich möchte Sie sehr bitten, hochverehrter Herr Professor, mir möglichst bald eine Antwort zukommen zu lassen, ob die Stiftung dies Geld geben kann und in welcher Weise ich mich formell zu bewerben habeb. Wenn ich reise, so möchte ich am frühesten den 12. August, spätestens den 26. August fort, um September und Oktober am Roten Meere zu sein. Ich möchte um eine baldi- || ge Antwort auch darum bitten, weil ich, falls die Ritterstiftung zu diesem Zwecke kein Geld hat, mein Heil noch beim Senckenbergischen Institute versuchen möchte.

Ich verharre in ausgezeichneter Hochachtung

als Ihr ganz ergebener

Dr. Bernhard Rawitz

Privatdocent.

a eingef.: genommen; b eingef.: habe

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.05.1896
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 46598
ID
46598