Schmidt, Wilhelm

Wilhelm Schmidt an Ernst Haeckel, Offenbach, 16. Dezember 1864

Offenbach, 16 Dez. 1864

Geehrter Herr Professor!

Ihr geehrter Auftrag wird wohl noch nächste Woche ausgeführt werden. Trotzdem in der Neuzeit schon viele zoologische Kabinete in und außer Deutschland mit meinen naturhistorischen Gypsabgüssen von mir versorgt wurden, so häufen sich die Aufträge beständig, daß ich kaum Vorrath erhalten kann. Es mag vielleicht auch für Sie von Interesse sein zu erfahren, daß ich für viele zoologische Museen im In- und Ausland arbeite, unter anderem schon seit vielen Jahren auch für das Lübeker Kabinet. Von ausnahmsweisen Glücke begünstigt erhielt dieses Kabinet im Laufe von 2 Jahren 4 Gorilla‘s von einem jungen Lübeker aus Afrika zugeschickt, und ich bin wohl der einzige „Glückliche“ 4 Stücke nacheinander|| ausgestopft zu haben. Ueber Weibchen und Junges ist eine größere Abhandlung erschienen von Herrn Dr. Mayer dahier nebst Abbildungen auch eine Photographie die im Buchhandel sowie bei dem Bibliothekar dessen hiesigen Vereins für Naturkunde noch zu haben sind. Ebenso ist im Jahresbericht des Vereins als Nachtrag noch die Abbildung des Männchen mit kurzem Text von demselben Verfasser erschienen. Das auffallende sind verschiedene Schädelformen zwischen Männchen und Weib und Jungtier.

Die große Schädelleiste (crista) fehlt dem Weibchen, der dem Menschen am nächsten kommende Gesichtswinkel des Jungen pp.

Ich werde Ihnen das Weibchen Schädel und Büste mitschicken, und conveniren solche nicht, so nehme ich solche zu jeder Zeit zurück, denn es thut mir leid eine Preisermäßigung nicht eintreten lassen zu können all den übrigen Kabineten gegenüber, ich weiß so ziemlich im Voraus daß sie die Seite nicht trennen und sollte dies der Fall sein, so schicken Sie mir erwähntes Weibchen zurück.

Was Ihre andere Frage betrifft, so wird Jahr aus und ein Alles vom größten bis zum kleinsten Thier übernommen. Nur möchte ich mir erlauben Sie noch darauf aufmerksam zu machen, daß wir in unserem Atelier nicht buchstäblich mehr ausstopfen, sondern auf einem ganz andern Wege arbeiten als die früheren Methoden.

Ein Thier namentlich die größern wird z. B. vollständig fertig fixirt und dann erst aufgestellt, darauf kommt eine dünne Lage Ton, um die feinen Modulationen als Sehnen Muskel pp auszuführen || und zum Schluß kommt auf das fertige Thier erst die Haut, wie Sie hieraus ersehen, ist dies Bildhauerarbeit und glaube auch dadurch, ohne Renomeyr, den Ruf meines Ateliers seit 25 Jahren begründet zu haben.

Bei franco Zusendung kostet ein Auerochs komplett fertig f 150, –, ein Königstiger f 40, – bei dem Tiger kommt noch die Verpackungskiste extra respektive die Auslage derselben.

Große Thiere schicke ich schon seit vielen Jahren in verschlossenem Packwagen der Eisenbahn und wird das Thier nur mit Packtuch umnäht.

Die Fracht ist unbedeutend und das Thier ist bis zu seinem Bestimmungsort geschützt. Ich habe auf diese Art große Thiere schon enorme Strecken passiren lassen, und kommt nächstens eine Giraffe auf offenem Waggon fort.

Knochen pp in den Beinen brauche ich nicht ebenso wenig den Kopf, wünschenswerth bleibt es bei äußerst seltenen Thieren, wo der Kopf (Schädel) vorhanden ist, zum Abformen in Gyps zu erhalten. Der wirkliche Schädel kann dann zurückgeschickt und extra aufgestellt oder wenn das vollständige Skelett da ist wieder an dasselbe befestigt werden. Wie schon erwähnt bei Tieren wie z. B. Auerochs Tiger pp, ist es durchaus nicht nöthig.

Wenn jedoch ein Thier mit aufgesperrtem Rachen dargestellt werden soll, so wird entweder ein Gebiß künstlich gemacht, oder das wirkliche genommen|| imitirte Gebisse werden natürlich extra berechnet.

Indem ich mich Ihnen bestens empfehle

zeichnet mit Hochachtung Ihr

Wilhelm Schmidt

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
16.12.1864
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 46405
ID
46405