Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß Brütz, 17. Januar 1919.

E. V. CROMPTON | JAGDHAUS GR. BRÜTZ | BEI SCHWERIN I. M.

POST WITTENFÖRDEN

17.I.19.

Hochverehrte Excellenz,

innigsten Dank Ihnen, liebster, guter Herr Geheimrat, für Ihren lieben Brief und noch ganz besonders für die lieben Zeilen an mein kleines Trautchen, ein großer Schatz für Ihr ferneres Leben. Sie stand strahlend dabei, als ich ihn ihr vorlas mit ihren großen Blauaugen und dankt Ihnen auf’s Herzlichste. Heute in 8 Tagen, am || 24. Januar wird sie 5 Jahre alt – wie die Zeit vergeht – sie freut sich schon sehr darauf; ich will ihr noch ein Lautenband mit dem Goethe-Gartenhäuschen malen – Ihre größte Freude sind Ihre schönen Radiolarien u. wenn man ihr davon erzählt – überhaupt immerzu zuhören u. erzählen – Märchen – – Es ist wohl auch der glücklichste Zustand im Menschen, wenn er noch Alles glaubt – – – Übermorgen ist nun die Wahl – Hoffentlich erreichen wir etwas dadurch, von meinen Pensionärinnen haben 2 auch schon das Wahlalter, worüber wir uns sehr freuen – Sonst ist Alles so trostlos – Daß man jetzt den || Feinden sogar noch danken muß, daß sie uns gegen unsere eigenen Landsleute schützen – pfui – unser Gefangener Engländer sagte im Dz. als er nach England heimgeschickt wurde, zu meinem Manne „Schlechtes Volk, die Deutschen – Engländer würden das nie tun, wenn draußen Krieg, drinnen Revolution machen.“ Wir waren ganz entzwei, daß wir uns so etwas sagen lassen mußten, solche bittere Wahrheit.

Es ist einfach entsetzlich – dabei ist dieser Winter so mild – es begünstigte so recht all die Aufstände – die ganzen Singvögel sind schon da – das zwitschert u. jubiliert im Walde zu Tausenden – als ob lauter Glück u. Frieden herrschte.||

Hoffentlich geht es Ihnen leidlich, hochverehrter Herr Geheimrat, Sie werden es mir doch erlauben müssen, sobald ich mal irgend etwas habe, das ich abgeben kann, es Ihnen zu senden. Es ist doch nichts weiter wie nur meine Pflicht und Dankbarkeit Ihnen gegenüber, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat.

Trautchen quält mich, ich möchte Ihnen ihren kl. Brief einlegen, sie mußte nämlich auch gleich an ihren lieben Großpapa Haeckel schreiben, als ich anfing. Ihre größte u. schönste Erinnerung ist Onkel Haeckel u. daß derselbe zu ihr gesagt hat „mein liebes Tierchen“, das vergißt sie auch nicht.

Alles Liebe u. Gute, hochverehrter, liebster, guter Herr Geheimrat, mit einer Empfehlung von meinem Manne, einem süßen Küßchen von kl. Trautchen, stets Ihre Ihnen treu ergebene u. innig dankbare

Elli von Crompton (Adoptivtochter)

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.01.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4575
ID
4575