Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß-Brütz, 24. November 1916

FRAU E. V. CROMPTON | JAGDHAUS GR. BRÜTZ | BEI SCHWERIN

POST WITTENFÖRDEN

24. Nov. 1916.

Hoch verehrte Excellenz, und lieber, guter Adoptivvater,

recht herzlichen Dank für Ihren so lieben, guten Brief, aus dem ich zu meiner großen Freude ersehe, daß es Ihnen gut geht. Nur sehr einsam ist es – werden Sie denn auch wirklich gut verpflegt? Wenn auch hier Alles sehr teuer ist – so ist esa doch immerhin ziemlich erhältlich. Nur die Ausfuhrbestimmungen sind scharf – ich wünschte, ich könnte als Weihnachtsmann einmal schnell zu Ihnen herüber kommen || und Ihnen Alles Gut mitbringen, wie Butter, Eier, Wild etc. In nächster Woche werden wir ein teuer gekauftes Schwein schlachten – aber aufheben werde ich für Sie, vielleicht kommt es doch noch einmal zu einem kleinen Herüberhuschen. Ihr Portrait schreitet auch vorwärts – nur ist immer so arg viel Wirtschaftliches dazwischen – Mädchenwechsel etc. Das muß ich Ihnen aber Alles 1 x erzählen – ich habe hier schon eine Menge erlebt – Anfragen habe ich schon immer genug – aber noch nichts Festes.

Die jüngste Tochter von unserem Verpächter ist plötzlich nervenkrank geworden. Sie kam in letzter Zeit öfter zu mir, weil sie sich so hingezogen fühlte, und mir auch ihr ganzes Herz ausschüttete. || Ich hatte entschieden einen sehr guten, heilenden Einfluß auf sie. Sie wollte zu gern ganz zu uns kommen. Ihr Vater und der Arzt waren auch dafür, nur fürchteten sie die große Nähe der Mutter, mit der sie garnicht steht, daß dieselbe hernach Alles Genesende wieder zerstören würde. Sie schreibt mir jetzt trostlose Briefe. Es ist traurig, wenn eine Mutter sich mit ihrem Kinde nicht versteht. –

Lieber, guter Herr Geheimrat, dabei wollte ich Sie einmal anfragen, wenn Sie vielleicht einen Wechsel mit Ihrer Jüngsten einmal vornehmen wollen, bitte geben Sie dieselbe doch zu mir. Der Ort ist nämlich wie geschaffen für Nervenkranke – Wald – Wald wundervolle Spaziergänge. Dabei Blick in’s freie Land u. Seen in der Nähe. Das Haus warm u. gemütlich – und || ich – wie mir die Leute versichern – wie geschaffen zur Pflege Nervenkranker – in Berlin machte ich ja zuletzt auch noch einen Kursus durch. Mit größter Liebe und Mütterlichkeit würde ich sie aufnehmen. – Unser Trautchen ist wirklich mein ganzes Sonnenscheinchen. Sie ist glücklich, wenn sie immer bei mir ist und ein Kind – das trotz größter Lebhaftigkeit nicht stört. Da es äußerst anpassungsfähig ist – und Alles mitmacht – was ich mache – so näht und malt – kocht – schreibt – Staub putzt – Alles neulich hat sie einen reizenden Brief an Sie, ihren geliebten Patenonkel und Adoptivgroßpapa, geschrieben – Küßchen auf das Papier gedrückt – einfach goldig. – ||

Bitte grüßen Sie doch Ihre liebe Enkelin Else herzlich von mir und Alles Gute für ihr neues Leben. Wie geht es eigentlich Lotte?

Die Tägl. Rundschau finde ich noch arg – ein seltenes Mißgeschick waltet darüber, wie auf so vielem bei mir –

Ich glaube, die Sicherung des Güterverkehrs hat mit dem 18.XI. aufgehört, für Eilgut, (Privatverkehr) besteht sie überhaupt nicht, wie mir hier gesagt wurde, als ich mir ein paar Hühner schicken ließ. Wenn Sie es mir dann vielleicht als Eilgut schicken ließen – ich wäre ja so froh darüber. Überhaupt meine ganze Aufmunterung besteht im Lesen Goethe – Haeckel und im || Anschauen beziehungsweise Vertiefen meiner Jenaer – Weimarer Erinnerungen. Ein solch tiefer Friede weht aus all dem, so viel Köstliches und Reines wird mir dadurch beschert. Ich bin sehr froh und glücklich darüber.

Gern möchte ich Ihre neuen Aquarelle 1 x sehen, besonders die aus Porstendorf, die mich arg neugierig machen, aber die werden wohl Ihr liebes Enkeltöchterchen wieder erfreuen sollen.

Die Kälte, Schneegestöber haben wieder aufgehört, ein mildes Wetter herrscht. Bußtag, ein rechter Aschentag, strömender Regen, kein bißchen Sonne.

Heute ein herrlicher Sonnenaufgang, wie Trautchen schon, in aller Frühe um || 5, wenn es noch stockfinster ist, sagt: „Liebe Sonne, bitte steh auf, komm aus Bettchen.“ –

Doch, nun, lieber, verehrter Herr Geheimrat, muß ich schließen, ich komme sonst zu spät nach Lützow zur Malstunde. Die des Bußtages wegen heute ist. Der kleinen Comteß Wendel Herz habe ich neulich gewonnen durch Mitbringen einiger Fliegen für ihr Aquarium. Heute soll sie wieder welche bekommen.

Mit herzlichsten Grüßen auch von meinem Mann u. klein Trautchen, die sehr glücklich ist, daß sie außer ihren Papa u. Mama nun auch noch einen geliebten Großpapa hat, grüßt Sie auf’s Innigste stets und immer

Alles Gute | Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen treu u. innig dankbar ergebene

Elli von Crompton

a eingef.: es

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
24.11.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4525
ID
4525