Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Grunewald, 10. November 1915.

Berlin-Grunewald, Charlottenbrunnerstr. 4

10. Novbr. 1915

Hochverehrte Excellenz,

da ich nach Ihren Plänen annehmen muß, daß Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, von „Ihrer Reise“ bereits zurückgekehrt sind und jetzt schon in der Wunderwelt der Radiolarien mit Ihrer Enkelin leben, kann ich es wohl wagen, Sie wieder einmal mit ein paar Zeilen aufzuhalten.

Von ganzem Herzen hoffe ich vor Allem, daß es Ihnen gesundheitlich gut geht und Ihnen die Gegenwart und der Lerneifer Ihrer sonnigen || Enkelin gut tut. Gern möchte ich wissen, was dieselbe wohl zu dem großen Schatz von köstlichen Aquarellen gesagt hat, den Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat ihr verehrten.

Ich freue mich so sehr für Sie, daß Sie jetzt gerade bei den furchtbar kurzen und unsagbar unfreundlichen Tagen eine solch sonnige, lebenwirkende Tätigkeit vor haben. Ein ganz, ganz klein wenig beneide ich im stillen Ihre liebe Enkelin darum, den größten Forscher und Kenner dieser köstlichsten, kleinen Lebensformen als Führer zu haben. Werden auch einige Illustrationen dabei sein?

Ihre treue Schwiegertochter schickte mir neulich || ein Bildchen Ihres kleinen silberlockigen Enkelchen’s. Es ist doch ein herziges Sonnenstrahlchen. Unser Kleinchen wächst sich auch immer niedlicher aus. Seit 4 Wch. läuft sie, und nun immer hinter mir her. Ist sehr lernbegierig und aufmerksam und fängt jetzt an, allmählich etwas nachzusprechen. Es ist wirklich reizend zu beobachten, wie solch ein kleiner Mensch, doch schon eine Persönlichkeit ist.

Ab u. zu gehe ich auch in’s Museum, um in guter Kunst Auffrischung zu holen. Ich kopiere allmählich ein sehr herbes Mädchenköpfchen v. Verrocchio fertig, das ich vor 3 J. schon angefangen hatte, und das unten am Rande die Inschrift hat „Noli me tangere“. Auch habe ich ein altes, niederländisches Bild zur Restau-|| rierung bekommen.

Über unsere Erfolge in Serbien haben Sie sich doch auch gefreut. Es spukt ja jetzt überhaupt so allerlei herum, was man jedoch dem Papier schlecht anvertrauen kann. Nun hoffentlich kommt Alles zum guten Ende.

Doch nun leben Sie herzlichst wohl, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat. Bitte grüßen Sie doch auch Ihre liebe Enkelin von mir. Mein Mann empfiehlt sich Ihnen bestens. Meinen Brief vom Sepbr. haben Sie doch nach meiner Rückkehr richtig erhalten?

Ihnen Alles Gute und Liebe wünschend, grüßt Sie von ganzem Herzen stets und immer

Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen treu und innig dankbar ergebene

Ella von Crompton

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.11.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4509
ID
4509