Haeckel, Carl Gottlob

Carl Gottlob Haeckel an Anna und Ernst Haeckel, Berlin, 22. August 1862

Berlin | 22 August 62.

Liebe Kinder!

Heute früh erhielten wir Euren Brief und bald darauf theilte uns auch Mutter Minchen den ihrigen mit, den sie von Anna erhalten. Wir haben daraus ersehen, wie glücklich Ihr seid und haben uns darüber sehr gefreut! Das Fest ist nun vorüber und wir kehren allmählich zur Ruhe zurück, was insbesondre für Mutter Minchen Noth thut, die doch mehrere sehr schwere Wochen gehabt hat. Das Fest selbst hat einen sehr angenehmen Eindruck bei uns zurückgelaßen und wir danken Gott dafür. Du lieber Ernst hast nun Deine Anna ganz, mußt für sie sorgen, sie bewachen, daß ihre Gesundheit nicht leidet. Auch rühmt sie dieses. Ich bin auch für Deine alte Mutter sorgsam und aufmerksam. Wir hatten uns sehr nach Briefen von Euch gesehnt, jetzt erfuhren wir gestern, daß Du einen Korrekturbogen aus Dresden zurükgeschikt hättest, woraus wir erfuhren, daß Ihr glücklich in Dresden angekommen waret. Es ist unter den angezeigten Umständen recht gut gewesen, daß Ihr bis Dresden gefahren seid und es freut mich, daß Anna die Gallerie so viel Freude gemacht hat. Wir haben hier heißen Sommer und abkühlende Gewitter. Mutter kommt nun auch mehr zur Ruhe. Da wir aber in 8–10 Tagen nach Schlesien reisen wollen, so giebt es noch allerlei zu thun, vor allen Dingen thut sich Mutter um eine Köchin um. Ich selbst verfolge mit Aufmerksamkeit unsere Politik, da jetzt wichtige Dinge zur Entscheidung kommen müßen. Doch bin ich schon mit meinen Gedanken in meiner Heimath Hirschberg, in welche durch die beschloßene Eisenbahn neues || Leben kommen soll. Besonders ist mir daran gelegen, daß die außerordentlich schönen Punkte nahe bei Hirschberg in zugängliche Anlagen und Promenaden umgeschaffen werden, während ihr Zugang jetzt durch die schlechten ungebahnten, steilen Wege sehr erschwert ist. Ich denke darüber mit den Männern, die dort die Sache in die Hand nehmen werden, nähere Rüksprache zu halten. So werden wir wohl vor dem 20sten September kaum zurükkommen und denken dann noch ein Paar Tage zu Karl und Mimmi zu gehen. Bis Ende dieses Monats treffen uns also Eure Briefe noch hier, später müsst Ihr sie nach Hirschberg adreßiren (in Preußischa Schlesien), wo wir bei dem Rittergutsbesitzer Adolph Schubert logiren werden. Gestern kam der Kreisgerichtsdirektor Jacobi mit Tochter und künftigem Schwiegersohn hier an und heute Mittag haben wir mit ihnen bei Mutter Minchen gegeßen. Jacobi hat mir nähere Auskunft über unser Bergwerk in Westphalen gegeben, wornach die Aussichten ganz gut sind, wenn auch ein sicherer Ertrag sich erst später und allmählich herausstellen wird.

Wir wünschen Euch gute Witterung, damit Ihr etwas von der Reise habt. Kehrt Ihr dann Ende September nach Jena zurük, so könnt Ihr alsdann Euer selbstständiges häusliches Leben beginnen und Euch ehelich einrichten. Gott gebe Euch seinen Segen. Denkt auch fleißig an uns und laßt bald wieder etwas von Euch hören.

Eurer

Euch liebender Vater

Haeckel

a eingef.: Preußisch

 

Letter metadata

Datierung
22.08.1862
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44913
ID
44913