Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 1. Februar 4. März 1860

Berlin 1sten

Februar 60

Mein lieber Herzens Ernst!

Wenn ich Dich auch im Herzen täglich begrüße, so kommt es doch selten bei mir zum Schreiben. Diesmal ist die Ursache nun die, daß ich Dich bitten wollte, früher zurück zu kommen, als es Dein Plan war. Anna ist noch immer nicht wohl, und Qincke, der heute deshalb hier war, meinte er könne nichts thun, es würde nicht eher anders bis Du hier wärst; und wünscht daß ich Dir dies || schreiben solle. Du brauchtest nicht gleich zu kommen; keins Fall dürftest Du unvermuthet kommen, Du solltest vorher schreiben; aber nicht daß wir Dir geschrieben haben, sondern Du könnest schreiben, Du kämst nur früher, weil Anna krank sei; aber auch Anna darf es nicht wissen, daß wir Dir geschrieben; Anna wird nichts davon wissen wollen, || wie sie überhaupt wohl sich dadurch geschadet hat, daß sie immer es nicht zeigen wollte, wie schwer ihr die Trennung von Dir wird. –

Quincke wünscht auch, daß niemand es hier wissen soll, daß Du zurück kommen sollst, weil er fürchtet, daß dann Anna dadurch aufgeregt oder durch Näckereien darüber gereizt würde. – −

Häckel hat Anna || heute besser gefunden; er besucht sie fast täglich, sie geht zwar täglich spazieren, darf aber niemand besuchen. Vater, der heute als Quincke hier war, nicht zu Hause war, ist eben noch zu Quincke gegangen, um ihn noch mal zu sprechen, weil es Vater unangenehm ist, daß Dein Aufenthalt in Messina gestört wird, ich habe vorläufig Dir geschrieben, was Quincke mir heute früh sagte. ||

Also, hier darf niemand es wissen, daß ich Dir geschrieben, besonders Anna nicht, auch sage ich es keinem der Geschwister, weil Quincke meint, es würde Anna ärgern, wenn sie es hörte – Mir thut es leid, mein Herzens-Junge, daß ich es Dir schreiben mußte, aber ich hielt es doch für meine Pflicht. –

Natürlich gehen noch wohl ein paar Wochen hin, ehe Du Deine Sachen ordnest und dort || abschickst. Aber vergiß nicht, daß Du vorher schreibst, wann Du kommst, Du darfst Anna nicht überraschen. Karl war seit Sonnabend Abend hier, er grüßt Dich schön, er hat Montag bei Richters Gevatter gestanden, und ist gestern wieder abgereist. Hast Du es aus der Zeitung gesehen, daß der alte Arndt || in Bonn gestorben ist. –

Aus Potsdam sind gute Nachrichten, es geht Mariechen besser. –

Den 4ten März. Mimmis gestrigem Schreiben, mein lieber Herzenssohn, füge ich nur noch bei, daß Du nichts an Anna erwähnst, was ich Dir geschrieben, daß ich aber bestimmt hoffe, wir sehen Dich bald hier; Du mußt aber Deine Ankunft vorher melden, darfst Anna nicht überraschen. –

Theodor hat heute Nachricht von Hause. Wilhelm wird wieder nach dem Kap gehen, Mariechen geht es leidlich. –

Adolph Schubert hat sich mit Ottilie Lampert verlobt, beide sind am Mittwoch || nach Hirschberg gereist, wo den 2 März ihre Verlobung mit der Silbernen Hochzeit von Lamperts gefeiert werden sollte. – Jetzt ist Gertrud Simon hier, die bei ihrer Schwiegermutter war, uns auf der Durchreise besuchte und, da Ottilie gerade abreiste, sich erbot, einige Tage hier zu bleiben, Du siehst also daß Deine alte Mutter nicht allein sein soll. –

Strenge Dich nicht zu sehr an, daß Du gesund und frisch zu uns heimkehrst – Gott gebe uns ein frohes Wiedersehn − Wie immer Deine alte Mutter.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.03.1860
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44425
ID
44425