Schultze, Max

Max Schultze an Ernst Haeckel, Bonn, 20. Oktober 1859

Bonn 20 October 1859.

Lieber Haeckel!

Der Aufforderung la Valette’s einen Gruß an Sie nach Messina einzulegen komme ich mit Freude nach und gratulire Ihnen zunächst zu der glücklichen Absolvirung der ersten Hälfte Ihrer Reise, die wie ich höre ohne allen Unfall und sehr genußreich verlaufen ist. Den naturwissenschaftlichen Theil lassen Sie wohl jetzt erst in Messina angehen und wünsche ich, daß Ihnen das Meer recht ergiebig sei. Carus soll im vergangenen Winter sehr unzufrieden gewesen sein, ich habe ihn vor meiner Abreise von Halle nicht mehr gesprochen und auch trotz meiner Anfragen noch keinen Brief von ihm erhalten – auch Gegenbaur weiß Nichts Näheres – so daß ich fürchte, daß er in der That nicht viel gefunden hat. Nun Sie wissen ja daß ihm das Arbeiten, was wir so nennen, überhaupt etwas schwer wird, und das mag wohl der Hauptgrund sein. Sie werden, davon bin ich überzeugt, ein sehr reiches Material finden – es hängt ja doch nicht Alles vom Wetter und der Windrichtung ab. Sie wollen so gut sein und Einiges für unser Museum sammeln. Da erwerben Sie sich allerdings ein sehr großes Verdienst und a vonb mir speciell einen großen Dank. Ich habe hier von Wirbellosen sogut wie Nichts vorgefunden, vergleichende Anatomie ist nie mit dem Museum gelesen worden und so ist es erklärlich, daß auch die gewöhnlichsten Sachen fehlen. Das Sammeln ist also leicht. Haben Sie die Güte und stellen etwa Folgendes zusammen: Actinien, Alcyonium, Veretillum, Campanularien, Sertularien, Tubularien, einige Medusen in Liquor conservativus am besten von den härteren und nicht zu große Exemplare also ein Rhizostom, eine Oceania, wie sie Ihnen passend scheinen, Velella, Porpita, und || was von Siphonophoren sonst sich gut erhalten läßt. Das Alles in Gläsern, ebenso einige Salpen, durchsichtige Mollusken als Heteropoden u. Pteropoden, und Argonauta. Nicht zu vergessen ferner Bryozoen und Ascidien Terebrateln sowie Würmer aller Art.c In ein Fäßchen würden Sie verpacken können Echinodermen, gleich in starken Spiritus gethan und womöglich einzeln in Lumpen gewickelt, größere zweischalige Mollusken und Cephalophoren, sowie einige größere Cephalopoden, endlich von Fischen ein Paar Zitterrochen deren dort zwei oder drei Species vorkommen, hermaphroditische Serrani, Chimaera und was Ihnen sonst Merkwürdiges aufstößt. Helmichthyden sind natürlich sehr willkommen. Endlich bitte ich noch um ein Glas mit liquuor conservativus in welchem Sie bei verschiedenen Excursionen den Zipfel des feinen Netzes ausgespült haben, und um ein Glas mit Seewasser, in welchem sich ein geringer Bodensatz von lebenden Polythalamien enthaltenden Sande befindet, den man bei Excursionen mit dem Schleppnetz leicht erhält und nur tüchtig durchschlämmen muß, damit Alles leicht suspendirbares organische daraus entfernt wird. Kiste und Fäßchen würden d durch Segelschiff nach Marseille oder besser vielleicht noch nach Holland oder Hamburg dirigirt, um dann von dort durch einen Spediteur hierher: Königlich Anatomisches Institut der Universität Bonn befördert zu werden.

Meine Frau läßt Sie bestens grüßen, sie hat mich vor Kurzem mit einem dritten Söhnchen beschenkt. Daß Ihre Frl Braut hier und sehr munter war hörte ich kürzlich. Empfehlen Sie mich ihr wie Ihren verehrten Eltern. Auf dem Rückwege müßten Sie mich in Bonn besuchen. Es ist hier himmlisch. Gegenbaur’s vergleichende Anatomie ist heraus u. vortrefflich, ich wollte ich könnte sie Ihnen schicken. Sonst literarisch Nichts Neues.

In Freundschaft Ihr Max Schultze.

a gestr.: erweisen; b eingef.: von; c eingef.: Terebrateln sowie Würmer aller Art.; d gestr.: am besten

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
20.10.1859
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44403
ID
44403