La Valette St. George, Adolph

Adolph von La Valette St. George an Ernst Haeckel, Bonn, 20. Oktober 1859

Bonn 20 October 1859.

Lieber Ernst!

Recht froh bin daß mein Brief, den ich so auf’s Ungewisse in die Welt hinaus sandte den lieben Freund erreicht hat und danke herzlich für die freundliche Beantwortung desselben, welche mir durch die Güte Deines Frl. Braut in zierlichem Couverte zugeschickt wurde. Den Sommer über war ich sehr in Anspruch genommen; ich las die Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Thiere und hielt nebenbei einen Cursus der mikroskopischen Anatomie. An Zuhörern fehlte es Gott sei Dank nicht. Diesen Winter nun hat meine Thätigkeit eine ganz andere Richtung erhalten.

Die Verwaltung der Prosectur ist in meine Hände gegeben, die definitive Ernennung soll erfolgen nachdem die Bonner den Etat für’s nächste Jahr bewilligt haben und mit demselben meinen Gehalt von 400 Thlr. Ich habe dafür die Präparate zu machen und mich am Secirunterricht zu betheiligen. Eine Zeit lang war ich schwankend ob Zoologie oder Anatomie; jetzt ist der Würfel gefallen und ein Lebensberuf ist entschieden. Jetzt freue ich mich der Wahl wozu die lie-||benswürdige Persönlichkeit Max Schultzes nicht wenig beitrug. Ein schönes helles Zimmer in der Anatomie ist mir zur Verfügung gestellt und neu hergerichtet worden, dort ist meine – Werkstatt – meine „Heimath“ von 8 Uhr bis 1 und von 2–4 wird gearbeitet bald präparirt bald mikroskopirt und gezeichnet. Im Augenblicke bin ich damit beschäftigt Bänderpräparate für die Vorlesung anzufertigen. Lesen werde ich in diesem Winter nicht, sonst möchte mir die Zeit zur gewissenhaften Vertretung meiner Stellung nicht ausreichen.

In den Herbstferien war ich 14 Tage in Ostende und habe dort für unser anatomisches Museum gesammelt nebenbei über Entwickelungsgeschichte niederer Crustaceen gearbeitet. Mit großem Danke nehmen wir hier Deine gütige Zusage an ina der Du Dich unserer so dürftigen und bedürftigen Sammlung anzunehmen gedenkst. Das Desideraten-Register in Schultze’s beifolgenden Zeilen wird Dich au fait setzen mit dem, was fehlt. Es versteht sich von selbst, daß alle Auslagen vom anatomischen Institute vergütet werden.

Lachmann läßt herzlich grüßen, er ist vor Kurzem Vater eines zweiten Töchterleins geworden.

Wie würde ich mich freuen bald Nachricht zu erhalten über den ferneren glücklichen Verlauf Deiner Reise.

Lebe wohl und halte lieb

Deinen La Valette

a eingef.: in

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
20.10.1859
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44400
ID
44400