Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Carl Rohrbach, Jena, 21. Februar 1868

Jena 21 Februar 68

Mein lieber Freund!

Ich bin gleich nach Empfang Ihres Briefes heute zu Geh. Hofrath Ried, dem Vorstand der chirurgischen Abtheilung unseres Landkrankenhauses gegangen, um wegen Aufnahme Ihres Schützlings in dasselbe mit ihm zu sprechen. Er räth, auf alle Fälle möglichst bald den Kranken hierher transportiren zu lassen. Aufgenommen und behandelt kann er jederzeit werden. Allerdings müssen alle Ausländer, d. h. Nicht-Weimeraner, 15 Sgr für Unterhaltung (incl. Alles!) zahlen; wenn jedoch der Patient ein Armuths-Zeugnis oder eine Empfehlung a von der dortigen Gemeinde b mitbringt, kann eine sehr bedeutende Ermäßigung erfolgen. Auf alle Fälle will Ried eine solche eintreten lassen, das Nähere jedoch erst bestimmen, wenn er den Kranken gesehen hat, und ungefähr sagen || kann, wie viel Zeit die Kur in Anspruch nehmen wird. Außerdem hat mir Ried (der ein ebenso ausgezeichneter Chirurg als humaner Arzt ist) versprochen, besondere Fürsorge für den Kranken haben zu wollen. Sie können also ganz beruhigt sein und den Kranken baldigst hierher schicken. Sorgen Sie nur für ein gehöriges Armuths-Zeugnis vom Gemeinderath oder Magistrat.

Es hat mich sehr gefreut, nach so langer Zeit einmal wieder von Ihnen zu hören, und zwar nur Gutes. Auch ich führe jetzt wieder ein recht glückliches und zufriedenes Leben, seitdem ich wieder eine treue Lebensgefährtin habe. Sie ist eine liebe gute Frau, die jüngste Tochter des verstorbenen hiesigen Professors der Anatomie. Eine gewisse Bitterkeit der Lebensanschauung habe ich freilich || seit dem Tode meiner unvergleichlichen ersten Frau immer behalten. In vielen Beziehungen konnte sie durch keine Andere ersetzt werden.

Im Übrigen arbeite ich gehörig, so lange ich noch jung und kräftig bin, und hoffe, unsere Wissenschaft noch ein gut Stück vorwärts zu bringen. Mein hiesiger Wirkungskreis macht mir sehr viel Freude. Meine beiden Eltern leben noch in Berlin und sind für ihr hohes Alter recht munter. Meine Mutter ist jetzt 69, c mein Vater 87 Jahre alt!

Hoffentlich werde ich Sie in diesem Jahre endlich einmal, hier oder in Gotha, sehen. Viellicht komme ich zu Pfingsten einmal hinüber.

Mit herzlichem Gruß

In alter Freundschaft

Ihr

Haeckel

a gestr.: aus der; b gestr. b; c gestr.: 9

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.02.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 44196
ID
44196