Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Rittergut Gelens (Kreis Kulm), West-Preußen, 03. Mai 1911

z. Zt. Rittergut Gelens (Kr. Kulm) West-Pr.

3.V.11.

Hochverehrte Excellenz,

lieber, guter Herr Geheimrat, ganz entsetzt und tief erschrocken und betrübt bin ich über die soeben erhaltene, furchtbar traurige Nachricht von Ihrem Ergehen. Wie fühle ich mit Ihnen! Lieber, guter Herr Geheimrat, wie sehr schmerzlich empfinde ich es, daß ich Ihnen auf Ihrem Schmerzenslager so garnichts helfen kann, Ihnen garkeine Erleichterung verschaffen.

Ich bin Ihnen stets und immer so aus tiefstem Herzen dankbar und kann Ihnen selbst so garnichts sein. Daß ich auch jetzt selbst so Pech haben mußte und nun so weit ab von Ihnen bin. Vielleicht hätten Sie mich doch brauchen können, ich wär denn nach || Jena gekommen und täglich soviel zu Ihnen, als Sie mich gebraucht hätten zur Erledigung ihrer Sachen, Vorlesen etc.

Lieber, guter Herr Geheimrat, wenn Sie mich aber vielleicht in ein paar Wochen, wenn ich mich hier zu alter Frische erholt habe, noch gebrauchen können in dem vorher erwähnten Sinne, bitte sagen Sie es mir doch bitte. Es war so wie so meine Absicht, nach ein paar Wochen Landaufenthalt hier, noch nicht nach Hause, sondern ev. nach dem idyllischen Jena zu kommen, mir dort ein kleines, billiges Stübchen zu nehmen und dort ganz still die Natur zu genießen u. etwas zu skizzieren u. zu lernen, da ich auf ärztliches Anraten hin, für mindestens ein paar Monate in ganz an‐||derer Umgebung leben soll und neue Eindrücke empfangen, da die Ärzte meinen, daß viel Ursache meines Leidens in dem jahrelangen Druck der Verhältnisse zu suchen ist. Mein Mann hat mir Urlaub erteilt, wenn ich nur gesund werde. Direkt zu einer weiteren Reise, wie mir angeraten wurde, fehlen mir natürlich die Mittel und da dachte ich, es auf diesea genannte, billige, bescheidene Weise vielleicht auch erreichen zu können.

Also ich könnte es gut einrichten. Bitte verfügen Sie ganz über mich, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, ich bitte Sie herzlichst und innigst darum. Unendlich würde ich mich ja freuen, wenn ich Ihnen auf irgendeine kleine Weise meine große Dankbarkeit zeigen könnte.

Mir tut hier die köstliche, ländliche Stille nach all dem Großstadtgetriebe und Sorgen || Lasten sehr wohl und den Frühling mit allem Blühen erlebe ich hier zum 2. Mal. Das Gut liegt wunderschön in einem herrlichen See, wunderschöne Sonnenuntergänge. Ich habe immer die größte Lust, etwas zu skizzieren, aber vorläufig darf ich, so schwer es mir ist, nicht daran denken. Hier bei meiner lieben Gastgeberin hoffe ich, die alte Spannkraft doch wiederzufinden, die ich doch auch so sehr nötig für mein Leben mit all seinen Pflichten gebrauche.

Bitte, bitte schreiben Sie bald eine Zeile, liebster Herr Geheimrat, über Ihr Befinden. Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen etwas Schmerzlosigkeit und bitte sehen Sie nicht zu trüb in die Zukunft. Es kommt hernach doch wieder besser. Bitte überlegen Sie sich doch meinen Vorschlag und geben Sie mir bitte bald Nachricht. Recht, recht gute Besserung wünschend, Alles Liebe und Treue

Ihre tief betrübte, sich sehr um Sie ängstigende, Sie hochverehrende, Ihnen treu u. dankbar ergebene

Ella v. Crompton geb. Gewert

a korr. aus: diesem

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
03.05.1911
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4411
ID
4411