Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Wilmersdorf, 07. November 1909

Wilmersdorf b. Berlin, Ringbahnstr. 247.

7. Nov. 09.

Hochverehrte Excellenz,

durch Ihre so lieben, gütigen Zeilen und Ihre guten Wünsche, die mir einen Segenswunsch für das fernere Leben bedeuten, danke ich Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, aufrichtig! Daß Sie mich Ihrer Freundschaft für würdig erachten, macht mich so unendlich stolz und glücklich und bitte ich Sie aufrichtig, immer Ihre Freundin bleiben zu dürfen.

Wie freue ich mich, daß die Anthropogenie die 6. Aufl. bald erleben soll. Wie sehr hoffte ich, daß diese Arbeit Herrn Geheimrat etwas ablenken wird von den Kränkungen dieses pöbelhaften Menschen. „Ein seelenvoll gelebtes Leben ist ein Schmerz.“ Darum weiß ich auch, daß gerade Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, all die letzten Ereignisse mit Ihrem feinen und seelenvollen Empfinden so besonders tief verwunden mußten. Ich gäbe Alles darum || wenn ich durch irgend etwas Herrn Geheimrat wenigstens einen kleinen Teil all jener Schmerzen vergessen machen könnte. Es ist keine Phrase; ich bin unglücklich, daß ich nichts kann. Aber nicht wahr, Herr Geheimrat denken immer an all die Tausende, denen Sie den Weg zur Höhe, zu echtem Menschentum gezeigt, und die Ihnen aus allen Erdteilen, in allen Sprachen unendlichen Dank sagen, Ihnen, dem großen Fürsprecher des Lebens. So unendlich Viele erhoben und wahrhaft beglückt zu haben, kann kein Sterblicher sich rühmen. Das muß doch ein stolzes Bewußtsein sein und für Vieles entschädigen, nicht wahr?

Vergessen Sie doch bitte niemals dies! Vielleicht gewährt es Ihnen auch mit der Zeit eine kleine Erleichterung, daß Ihre Wissenschaft in den Händen Ihres Nachfolgers anscheinend gut aufgehoben ist, wie Sie annehmen und kann man vielleicht einmal später den Gelehrten von dem Menschen trennen, obgleich ich dies nie fertig bringen werde. Schließlich kann doch auch dieser moralisch defekte Mensch || Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, höchstens schwer und schmerzlich verwunden aber doch nicht in’s Herz treffen. Der langt doch nicht an die Höhe, auf der Sie stehen!

Ich hatte mich seiner Zeit so innig über Ihren lieben Brief, gleich nach Ihrer Rückkunft gefreut, daß Ihnen die Schweizerreise so gut getan. Dieses Tapfere, Frohe, das aus Ihren lieben Zeilen zu mir sprach, hat mir auch nur geholfen, das Leben wieder aufzunehmen und mir immer Mut gemacht. Bitte schauen Sie sich doch Ihre neuen, prächtigen Aquarelle an, die Sie der Allmutter Natur wieder abgelauscht und vergraben Sie sich bitte nicht so ganz in das „Zoologische Kloster“.

Von ganzem Herzen wünsche ich, daß es Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, gesundheitlich recht, recht gut gehen möchte, auch die Gesundheit Ihrer Frau Gemahlin sich bessern möchte, und Sie recht viel große Freuden erleben möchten! Wie geht es denn Ihrer so lieben, herzigen, ältesten Enkeltochter und Ihrem jüngsten Enkelchen?

Mit vielen innigen Grüßen und || besten Wünschen stets

Ihre Sie hochverehrende, unendlich dankbare, treu ergebene

Ella v. Crompton geb. Gewert.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.11.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4387
ID
4387