Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Moritz Seebeck (Kurator), Jena, 30. Mai 1873

Bericht betreffend

den Neubau eines zoologischen

Institutes an der Universität Jena.

Hochverehrter Herr Geheimer Staatsrath!

Als im Jahre 1869 auf Ihre gütige Verwendung das hohe Großherzogliche Staats-Ministerium den Beschluß faßte, dem immer dringender hervortretenden Bedürfniße eines zoologischen Institutes zu genügen und vorläufig für dasselbe die obere Etage des neuen Institutes am Bibliotheks-Platze, welche durch den Weggang des Professor Pringsheim disponibel geworden war, zu bewilligen, wurde diese Verfügung unter dem ausdrücklichen Vorbehalte mir mitgetheilt, daß die genannte Localität nur provisorisch für das zoologische Institut überlassen werden könne, und daß die Einrichtung eines || besonderen Gebäudes für das letztere einem weiteren Beschluße vorbehalten bleibe.

Allerdings war durch jene Verfügung vorläufig dem dringendsten Bedürfniße genügt. Indeßen stellte sich bald heraus, daß die überlaßene Localität, in welcher nicht nur das zoologische Institut mit allen seinen Attributen, sondern auch die bis dahin im Großherzoglichen Schloße aufbewahrten zoologischen Sammlungen untergebracht werden sollten, für diesen Zweck bei weitem nicht genug Raum darbot. Es mußte daher schon bei der eintretenden Übersiedelung der Sammlungen ein beträchtlicher Theil der letzteren im Schloße zurückgelaßen werden, was mannichfache Nachtheile im Gefolge hatte. Inzwischen sind nun aber die Sammlungen in den letzten Jahren sehr beträchtlich gewachsen. Namentlich hat sich die Zahl der niederen, in Weingeist conservirten Thiere, welche für den practischen Unterricht in der Zoologie besonders wichtig sind, || um mehr als das Doppelte vermehrt. In Folge deßen sind gegenwärtig alle in dem zoologischen Institute aufgestellten Schränke überfüllt. Wenn die darin enthaltenen Gegenstände in der übersichtlichen Ordnung, wie sie wünschenswerth und in den meisten Museen durchgeführt ist, aufgestellt werden sollten, so würden dieselben mehr als den doppelten gegenwärtig eingenommenen Raum beanspruchen. Viele neu erworbene Gegenstände haben aus diesem Grunde überhaupt nicht ordentlich aufgestellt werden können. Besonders empfindlich macht sich dieser Raummangel aber gegenwärtig fühlbar, wo die Sammlungen ausgepackt und aufgestellt werden sollen, welche ich von meiner in den Oster-Ferien unternommenen Orient-Reise in zwanzig Kisten mitgebracht habe. Für eine angemeßene Aufstellung und Benutzung dieser Objecte ist der nöthige Raum im Institute nicht mehr zu beschaffen.

Ebenso unzureichend wie der Raum für || die Sammlungen ist auch der Raum für die eigentlichen Unterrichts-Zwecke des zoologischen Instituts. Das Zimmer, in welchem die Studirenden ihre mikroskopischen Übungen anstellen, ist zu klein; ich habe daher in den letzten Jahren mein eigenes Arbeitszimmer mit hierzu benutzen müßen. Ferner ist auch das Auditorium (welches überdies zugleich für die botanischen Vorlesungen benutzt wird) nicht hinreichend groß, so daß ich z. B. in diesem Semester die Vorlesungen über Entwickelungsgeschichte außerhalb des Institutes, in einem hierzu nicht geeigneten Auditorium des neuen Collegien-Gebäudes, halten muß. Sodann fehlt ein besonderes Zimmer für den Aßistenten und eine Wohnung für den Famulus, welche aus mehrfachen Gründen sehr erwünscht wären. Auch der Mangel einer Waßerleitung wird immer fühlbarer. Endlich – und hierauf dürfte besonderes Gewicht zu legen sein – hat der Großherzogliche Bau-Inspector Spittel bestimmt erklärt, daß bei der leichten Bau-Art || des nach den Angaben von Profeßor Pringsheim ausgeführten Instituts-Gebäudes eine weitere Belastung der oberen Etage nicht mehr zuläßig sei, ohne den Bestand des Gebäudes selbst zu gefährden; schon die gegenwärtige Belastung sei eigentlich zu schwer, und sie sei Ursache der Riße und Sprünge, welche seit einigen Jahren in den Wänden sich gezeigt haben.

Angesichts dieser Gründe erlaube ich mir, Sie, hochverehrter Herr Geheimer Staatsrath, ergebenst zu ersuchen, sich bei dem hohen Großherzoglichen Staats-Ministerium für die möglichst baldige Ausführung des schon früher in Aussicht genommenen selbstständigen Gebäudes für das zoologische Institut und das zoologische Museum gütigst verwenden zu wollen.

Als die am meisten geeignete Localität dürfte sich dafür der Platz empfehlen, auf welchem bisher das alte Carcer-Gebäude stand. Abgesehen || von ihren sonstigen Vorzügen erscheint diese bereits früher für das zoologische Institut vorgeschlagene Örtlichkeit namentlich deßhalb vorzüglich paßend, weil sie die höchst wünschenswerthe unmittelbare Communication mit dem Anatomie-Gebäude und der darin untergebrachten zootomischen Sammlung gestattet.

Indem ich mich der Hoffnung hingebe, daß Sie, hochverehrter Herr Geheimer Staatsrath, das stetig bewiesene warme Intereße an dem Gedeihen der zoologischen Unterrichts-Anstalten der hiesigen Universität auch bei dieser Gelegenheit durch wohlwollende Unterstützung meines Gesuchs bethätigen werden, bleibe ich in vorzüglicher Verehrung

Ihr ergebenster

Haeckel

Director des zoologischen Instituts

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
30.05.1873
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
LATh-StA Gotha
Signatur
Staatsministerium, Dep. I, Loc. 6 p, Nr. 25, Bd. 1, Bl. 88r-90v
ID
43336